Sophies Melodie (German Edition)
Gottverflucht!“
Seit fast sechs Jahren hatte er kaum einen Tropfen Alkohol mehr angerührt. Und seit fast vier Tagen trank er nun beinahe ohne Unterbrechung. Er aß wenig, und nur manchmal versanker an Ort und Stelle in einen tiefen traumlosen Schlaf, doch der hielt niemals länger als ein oder zwei Stunden an.
Er hatte entfliehen wollen, aber natürlich funktionierte das nicht, das hätte er vorher wissen müssen. Auch der Alkohol brachte es nicht fertig, Sophies Puppengesicht aus seinem Kopf zu schwemmen. Er brauchte nur seine Lider zu schließen, dann sah er wieder ihre riesigen dunkelbraunen Augen vor sich, diesen herzzerreißenden Blick, kurz bevor er gegangen war.
Constantin stöhnte auf. Gott, er hatte sie viel zu sehr gewollt! Alles hätte perfekt sein können, wenn sie nicht gleich danach wieder gelogen hätte. Er wusste nicht, warum sie sich plötzlich dazu gezwungen sah, ihm eine Liebeserklärung zu machen. Wahrscheinlich hatte sie geglaubt, dass die Situation es erforderte, dass er es hören wollte. Es war verrückt, denn damit hatte sie sogar recht. Und doch hatte sie ihn mit dieser weiteren Lüge mehr verletzt, als er es je für möglich gehalten hatte.
In den vergangenen Jahren hatte er sehr oft darüber nachgedacht, warum gerade die Frauen in seinem Leben, die für ihn wirklich wichtig gewesen waren, ihn belogen und enttäuscht hatten. Angefangen bei seiner leiblichen Mutter, die ihn anscheinend nicht in ihrem Leben gewollt hatte.
Irgendwann war er schließlich zu dem Schluss gelangt, dass er selbst das Problem war – und seitdem quälten ihn wiederkehrend tiefe Selbstzweifel. Mit seinem Verstand versuchte er gegen diese unvernünftigen Empfindungen anzukämpfen, aber das klappte nur selten.
Vielleicht wäre seine erste Ehe besser verlaufen, wenn er nur in der Lage gewesen wäre, seine Frau wirklich glücklich zu machen. Aber weder seine noch Melanies Liebe war stark genug dafür gewesen, und so hatte sie ihn immer wieder betrogen.
Und nun Sophie! Die einzige Frau, die sein Herz wahrhaftig in der Hand hielt, hatte ihn hintergangen, benutzt undversuchte ihm Gefühle vorzuspielen, die sie nicht empfand. Sie trieb ihn langsam, aber sicher in den Wahnsinn. Er hätte wirklich wissen müssen, dass ein Zusammenleben mit ihr nur in eine Katastrophe führen konnte.
Das Haustelefon auf der Kommode klingelte und riss ihn aus seinen trüben Gedanken. Mühsam stemmte er sich aus dem Sessel und hob ab. Es konnte nur Maria sein, denn es war Zeit zum Mittagessen.
„Soll ich Ihnen auch heute wieder einen Teller raufbringen, Constantin?“
Die Stimme seiner Haushälterin hatte einen deutlich vorwurfsvollen Unterton, aber er ignorierte es. „Ja“, antwortete er einsilbig. Ihm fiel auf, dass seine Stimme vom vielen Trinken inzwischen rau und heiser klang. Innerlich verspottete er sich selbst. Im Augenblick würde der große Sänger Constantin Afra wahrscheinlich nicht einen einzigen vernünftigen Ton herausbringen. Er räusperte sich. „Aber nur eine Kleinigkeit, Maria.“
„Gut. Ich bin gleich bei Ihnen.“
Er hörte das Klicken in der Leitung und legte ebenfalls auf. Leicht schwankend ging er hinüber ins Bad, benutzte die Toilette und wusch sich die Hände. Dann fiel sein Blick in den Spiegel über seinem Waschbecken. „Herr im Himmel!“
Verrückterweise dachte er in diesem Moment zum ersten Mal seit Tagen wieder an seinen Sohn, und die Sehnsucht nach dem Kind wurde schier übermächtig. Langsam, mit schleppenden Schritten, schlurfte er wieder zurück in sein Zimmer.
Maria war bereits dabei, ein Tablett auf dem kleinen Tisch neben seinem Sessel zu platzieren. Als er hereinkam, sah sie auf und schüttelte leicht den Kopf. Ihr Blick drückte tiefe Besorgnis aus. Wahrscheinlich hatte sie ihn auch schon in den vergangenen Tagen auf diese Weise angesehen, aber erst jetzt bemerkte er es. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich plötzlich stocknüchtern.
„Wie geht es dem Kleinen?“
„Dem geht es prächtig – im Gegensatz zu seinen Eltern.Essen Sie etwas, Constantin, und dann schlafen Sie endlich mal wieder ein paar Stunden in Ihrem Bett, nicht wieder in diesem Sessel.“
„Ja.“ Er zögerte.
„Kann ich noch etwas für Sie tun, Constantin?“
„Ähm, Maria, ich …“
„Nein, ich habe diesmal keine neue Flasche mitgebracht. Und das werde ich auch nicht, verstanden?“ Der Gesichtsausdruck von Maria Vargas veränderte sich deutlich. Sie mochte und achtete ihren Arbeitgeber sehr, aber wie
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