Sophies Melodie (German Edition)
er sich derzeit verhielt, konnte sie einfach nicht gutheißen. „Warum tun Sie Ihrer Frau das nur an?“, fragte sie ihn und sprach damit aus, was ihr seit Tagen auf der Seele lag. „Die Kleine sitzt die meiste Zeit des Tages drüben in ihrem Zimmer, mit dem Baby im Arm, und weint sich die Augen aus dem Kopf. Und Sie sitzen hier, gleich nebenan, und trinken!“
Einen Moment hielt sie inne, weil sie fast schon darauf wartete, dass er sie anschreien würde, die ganze Sache gehe sie überhaupt nichts an. Aber er blieb stumm, sah sie nur mit diesen furchtbar müden und blutunterlaufenen Augen an.
Also fuhr sie mutig fort: „Ich verstehe Sie nicht, tut mir leid, Constantin! Ich weiß nicht, was zwischen Ihnen beiden vorgefallen ist, aber kein Streit der Welt ist dieses Elend wert. Sie müssten sie sehen! Sie isst kaum noch – und obwohl ich versuche, ihr, so oft es geht, den Kleinen abzunehmen, ruht sie sich kaum noch aus. Herrgott, Constantin, das Mädchen liebt Sie doch über jedes Maß hinaus. Was wollen Sie denn noch? Ich kann wirklich nicht verstehen, dass gerade Sie Ihr neues Glück so mit Füßen treten. Haben Sie denn immer noch nicht genug Kummer in Ihrem Leben gehabt, Junge? Reicht es Ihnen noch immer nicht?“
Maria schnaubte ungehalten, um damit ihre Vorhaltungen noch zu untermauern. Nun hatte sie sich unabsichtlich in Rage geredet. Es war zu spät, um es noch zu bedauern. Wenn ihr Arbeitgeber sie in den nächsten Minuten entlassen würde, musstesie das hinnehmen, aber mit jedem Wort, das sie sagte, fühlte sie sich besser.
„Maria, Sie …“
„Ich bin noch nicht fertig! Da drüben sitzt Ihre Frau, die Sie über alles liebt. Sie ist eine gute Frau, ein guter Mensch! Denken Sie doch auch mal an Ihr Kind! Seit Tagen hat Ihre Familie Sie nicht mehr gesehen. Constantin, Sie werden Sophie und Ihren Sohn wieder verlieren, wenn Sie nicht bald etwas tun! Ihre Frau ist am Ende ihrer Kraft, das kann jeder sehen. Ihr wundes Herz hält das nicht mehr lange aus.“
Constantin räusperte sich und setzte einen deutlich überheblichen Blick auf. „Sie glauben also tatsächlich, Sophie würde mich lieben?“, fragte er fast mitleidig.
Fassungslos sah Maria ihn an. „Meinen Sie diese Frage wirklich ernst?“
„Ja, verdammt!“
Marias dunkle Augen funkelten vor Wut, und ihr spanisches Temperament ließ sich nun endgültig nicht mehr im Zaum halten. „Ich bin fast fünfundfünfzig Jahre alt, Señor! Ich bin sehr wohl in der Lage, zu erkennen, wenn ein Menschenkind vor lauter Liebeskummer fast vergeht. Dieses Mädchen liebt Sie mehr, als Sie sich in Ihren kühnsten Träumen nur vorstellen können! Aber Sie scheinen ja blind und taub und dazu auch noch furchtbar dumm zu sein! Pah! Männer! Allesamt dumm wie Brot!“
Ehe er sichs versah, hatte seine Haushälterin das Zimmer verlassen. Die Tür fiel mit einem lauten Knall ins Schloss. Erschüttert ließ Constantin sich zurück in seinen Sessel fallen. Minutenlang starrte er düster und nachdenklich vor sich hin, schließlich erhob er sich wieder und ging noch einmal hinüber in sein Badezimmer. Mehrere Male atmete er tief ein und wieder aus, dann warf er seine schmutzigen Sachen von sich und stieg unter die Dusche. Er duschte lange, und anschließend rasierte er sich den dichten schwarzen Bart aus dem Gesicht, der ihm inzwischen gewachsen war.
Nachdem er frische Sachen angezogen hatte, rief er unten bei Maria an und bestellte sich einen starken Kaffee.
Wortlos nahm seine Angestellte den Auftrag entgegen, kam aber schon kurz darauf mit einem zweiten Tablett herein. Entweder hatte sie damit gerechnet, dass er in den nächsten Minuten nach Kaffee verlangen würde, oder sie hatte ohnehin gerade welchen gekocht. Jedenfalls war er froh darüber.
„Sie haben ja noch gar nichts gegessen“, bemerkte sie mit strenger mütterlicher Stimme, ohne auf sein verändertes Aussehen einzugehen.
„Tut mir leid, ich werde es gleich nachholen, Maria. Lassen Sie das Essen ruhig dort stehen.“
„Na, wenn Sie meinen. Aber es ist inzwischen alles kalt geworden.“
„Das macht mir nichts, wirklich. Sie können beruhigt gehen.“
„Gut, ganz wie Sie wollen.“ Mit anhaltend strenger Miene und kerzengeradem Rücken wandte sie sich ab und marschierte zur Tür.
„Ach, Maria?“
„Ja?“ Noch einmal wandte sie ihren Kopf und sah ihn an.
„Keine Ahnung, warum, aber ich habe wohl gebraucht, was Sie mir da vorhin alles an den Kopf geknallt haben. Danke!“
Constantins Lächeln
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