Sophies Melodie (German Edition)
hatte glänzende schwarze Haare und auffallend helle, blaugrüne Augen. Ihr Name war Afra.“
„Nun, auch das kann sich dieser Mann leicht zurechtgelegthaben“, warf Constantin ein. „Mein Gesicht ist ja nicht gerade unbekannt.“
„Ihr Vorname war Afra, Conny.“
Johannes rief mit dieser knappen Information bei Constantin ein leichtes Stirnrunzeln hervor. „Afra soll also ihr Vorname gewesen sein? Zumindest finde ich es eigenartig, dass mein Bruder und ich niemals über diese Möglichkeit nachgedacht haben. Das ist interessant.“
„Der Mann schrieb außerdem, sie hätten absichtlich nur den Vornamen eurer Mutter auf dem Zettel notiert, den sie Fabian in die Hosentasche gesteckt haben. Sie wollten euch unbedingt vor eurem … Großvater in Sicherheit bringen. Aber der beste Beweis, dass dieser Mann die Wahrheit sagt, ist ein Foto, das er mitgeschickt hat. Es ist zwar nur ein Schwarz-Weiß-Foto, aber es wurde am Tag des Erntedankfestes gemacht. Glaub mir, wenn du dieses Foto siehst, weißt du genau, dass es sich bei dem jungen Paar auf dem Bild nur um deine Eltern handeln kann, mein Junge. Du bist deiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten und Fabian … er sieht genau aus wie euer Vater.“
Constantin schluckte hörbar. „Warum zum Teufel hast du den Brief und das Foto nicht mitgebracht?“
„Nach kurzer Überlegung habe ich beschlossen, dir das alles besser mit meinen Worten zu erzählen, denn der Brief ist außerordentlich schwer zu entziffern. So war es deutlich einfacher, glaube mir. Der alte Mann ist der Orthografie offenbar nicht wirklich mächtig und hat dazu noch eine grauenvolle Schrift. Aber natürlich habe ich das Bild für dich dabei. Der Brief liegt noch in der Redaktion. Du wirst ihn in jedem Falle bekommen.“ Johannes griff in die Innentasche seines Sakkos und zog eine kleine Schwarz-Weiß-Aufnahme heraus, dann legte er sie vor Constantin auf den Tisch. „Ich denke, du solltest das auch so bald wie möglich deinem Bruder zeigen.“
Constantin nahm das Foto an sich und starrte es eine kleine Ewigkeit stumm und nahezu regungslos an. Dann erhob er sichplötzlich. „Entschuldigt mich bitte einen Augenblick“, brachte er mühsam hervor. Mit dem Bild in der Hand wandte er sich ab und verschwand im Schlafzimmer.
Sophie stand ebenfalls sofort auf, aber Johannes hielt sie zurück. „Gib ihm ein paar Minuten, mein Schatz. Er muss das erst mal für sich allein verarbeiten, glaub mir.“
Nach einem tiefen Atemzug stemmte sich Johannes Kramer aus seinem Sessel hoch. „Ich werde jetzt wieder nach Hause fahren. Wir können ja morgen noch einmal in Ruhe über alles sprechen, wenn wir drüber geschlafen haben. Deine Mutter und ich bringen euch den Jungen im Laufe des Nachmittags vorbei. Vielleicht können wir das mit einem gemeinsamen Kaffeetrinken verbinden, dann sehen wir weiter.“
Sophie nickte nur. Auch nachdem Johannes bereits gegangen war, wartete sie noch einige Minuten ab. Gerade als sie zu Constantin ins Schlafzimmer gehen wollte, öffnete sich die Tür, und er kam wieder heraus. „Geht es dir gut?“, fragte sie besorgt.
Er nickte. „Ja, mir geht es gut.“ Das leise Seufzen, das er ausstieß, klang tatsächlich nach Erleichterung. „Ich habe irgendwie immer gewusst, dass sie uns niemals freiwillig hergegeben hätte. Ohne dein Buch hätte ich das allerdings niemals erfahren.“
Wortlos ging Sophie zu ihm und legte ihre Arme um seinen Nacken. Er beugte sich herab und vergrub sein Gesicht für einige stille Augenblicke in ihren weichen Locken. Schließlich hob er den Kopf und reichte ihr mit glänzenden Augen das Foto. „Sieh dir nur das Bild an, Liebes. Sie ist so wunderschön gewesen und er … Mein Gott, wenn ich es nicht besser wüsste, könnte das auch Fabian auf dem Foto sein, nicht wahr?“
Sophie betrachtete die Aufnahme eingehend. Das Paar lachte glücklich in die Kamera. Offenbar hatte es gerade miteinander getanzt oder tat es noch, denn die Haltung, die es einnahm, ließ darauf schließen. Die junge Frau war auffallend schön. Ihre Augen strahlten hell, und selbst auf der Schwarz-Weiß-Aufnahme wurde deutlich, dass ihr schwarzes Haar wie Seideglänzte. Das Gesicht wirkte zart und mädchenhaft, und doch konnte man ohne große Probleme Constantins Züge darin finden. Besonders die Augenpartie war der von Constantin erstaunlich ähnlich. Der Mann an ihrer Seite war ebenso jung wie sie, sicherlich noch nicht einmal Mitte zwanzig, und doch war Fabian Afra unverkennbar
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