Sophies Melodie (German Edition)
fühlte sie sich mittlerweile verhältnismäßig wohl. Sie verstand sich weiterhin hervorragend mit Helen Afra, und sie mochte auch deren Ehemann sehr, der sich im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder stets freundlich und zugänglich verhielt.
Da sich zu dieser Zeit auch noch der Rest der Band im Haus aufhielt, nutzte Sophie die günstige Gelegenheit und führte auch mit Constantins Musikern einige Gespräche, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab. Die Eindrücke, die sie von den Männern an ihrem ersten Abend gewonnen hatte, bestätigten sich nachhaltig. Während einer kurzen Mittagspause der Band erzählte ihr Hans-Jürgen Aumann in seiner ruhigen, sehr ausgeglichenen Art von der ersten gemeinsamen Zeit als Schulband. Seine hellblauen Augen leuchteten, während er mit sonorer Stimme alte Geschichten zum Besten gab.
Auch Dirk Burkhard wusste aus der Gründerzeit der Band einiges zu erzählen und brachte sie immer wieder zum Lachen. Und Lutz Wölfer, der hübsche samtäugige Casanova, flirtete mit ihr auf Teufel komm raus, während sie versuchte, ihn zu interviewen.
„Gehst du heute Nacht allein mit mir schwimmen, Sophie?“
„Nein, Lutz. Ich werde bis spät in die Nacht arbeiten, und dann muss ich schlafen.“
„Ach, du hast ja noch gar nicht richtig angefangen. Komm schon, meine Schöne, brenn mit mir durch. Wir könnten nach Inverness abhauen. Raus aus der Höhle des Löwen – nur für eine Nacht voller Abenteuer. Du wirst es nicht bereuen. Pianisten und Keyboarder haben sehr sensible Hände, das solltest du bedenken.“ Lutz’ jungenhaft freches Grinsen war enorm einnehmend, das musste Sophie zugeben. Es wurde ihr sehrschnell klar, warum er der besondere Liebling der jüngeren weiblichen Fans war.
„Stell deinen Dackelblick ab, Lutz!“
„Du brichst mir das Herz, mein Püppchen.“ Er lachte sie fröhlich an, schenkte ihr noch einen weiteren samtigen Blick aus seinen haselnussbraunen Augen und brachte damit auch sie zum Lachen.
Sophie hatte wirklich ihren Spaß, während sie die Mitglieder der Band interviewte, aber natürlich waren diese Gespräche nur ein angenehmes Beiwerk zu ihrer eigentlichen Arbeit, denn die bestand ja nach wie vor darin, den äußerst eigensinnigen Protagonisten zu befragen.
Constantin und sie hatten sich darauf geeinigt, jeden Morgen direkt nach dem Frühstück ihre Sitzungen abzuhalten. Der Einfachheit halber blieben sie dann gleich am Tisch sitzen, nachdem die anderen die Küche verlassen hatten.
Sophie machte sich nur wenige Notizen, denn bei jeder Sitzung lief ihr altes Diktiergerät mit und nahm die Gespräche auf. Nach anfänglichen Verständigungsschwierigkeiten klappte das sogar ganz gut. Es war nicht immer leicht, Constantin Afra zum Reden zu bringen, aber nach einer Weile taute er immer mehr auf. Er gab sich außerdem redlich Mühe, nicht mehr allzu griesgrämig zu sein. Manchmal lachten sie jetzt sogar zusammen – und Sophie stellte fest, dass sein Lachen ungemein anziehend war. Sie war davon überzeugt, dass sie diese positive Entwicklung vor allem Helen zu verdanken hatte. Offenkundig war sie als Einzige wirklich in der Lage, Constantin Afra gehörig die Meinung zu sagen.
Fabian hingegen bot seinem jüngeren Bruder niemals wirklich die Stirn, auch das hatte Sophie unterdessen schon mehrmals festgestellt. Im Verlauf der Gespräche, die sie inzwischen auch mit ihm geführt hatte, war ihr sehr schnell klar geworden, dass Fabian mit einer schier unerschütterlichen Liebe an seinem Bruder hing. Er schien stets ein wenig besorgt um ihnzu sein, aber er ordnete sich Constantins Willen auch immer sehr schnell unter.
Eines Morgens sprachen Sophie und Constantin zum ersten Mal eingehender über seine Kindheit, die er zusammen mit seinem Bruder in einer Pflegefamilie verbracht hatte. Ihre wahre Herkunft kannten die Geschwister bis heute nicht.
„Wir sind an einem kalten Aprilmorgen auf den Stufen einer Polizeiwache gefunden worden“, begann er seinen Bericht. „Natürlich haben wir die Einzelheiten erst viel später erfahren, denn wir waren damals beide noch zu klein für eigene Erinnerungen. Fabian war gerade mal drei Jahre alt. Er war verängstigt und schmutzig. Die ganze Zeit hielt er ein Stoffbündel in den Armen, das er unablässig an seine kleine Brust presste und nicht hergeben wollte. Erst später haben die Beamten dann bemerkt, dass es sich bei dem Bündel um ein Baby handelte.“
Er schluckte, dann erzählte er weiter. „Ich war zu dem Zeitpunkt wohl
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