Sophies Melodie (German Edition)
Kind, aber doch nicht gleich zwei. Herrgott, ich war gerade zwei Wochen alt! Dennoch, bei all diesen Überlegungen kann ich ihr nicht vollkommen verzeihen. Sie hat uns allein gelassen, das sollte keinem Kind widerfahren. Ich habe immer wieder versucht, mir selbst ihre Tat irgendwie zu erklären, und dashat auch geholfen. Verstehen kann ich es letztlich nicht.“
Sophie nickte. Es ging ihr nahe, dass der sonst so verschlossene Mann so unerwartet offen über diese sehr persönlichen Dinge mit ihr sprach. Die Gefühle und Gedanken, die er seiner unbekannten leiblichen Mutter entgegenbrachte, überraschten sie ein wenig. So wie sie ihn bisher kennengelernt hatte, hätte sie eher erwartet, dass er wütend und voller Hass über diese Frau urteilen würde. Doch das tat er nicht, obwohl er ihre Vorgehensweise nicht verstand. Sie fand das sehr beeindruckend. „Ich würde es am liebsten genau so schreiben, wie du es mir eben berichtet hast, Conny. Natürlich nicht aus deiner Perspektive, sondern als Erzählerin.“
„Keine Einwände“, erwiderte er knapp.
Nachdem er sich Sophie immer mehr geöffnet hatte, bemerkte sie sehr bald, dass Constantin Afra zwar ein äußerst komplizierter, aber auch sehr sensibler Mensch war – also stellte sie sich darauf ein. Insgeheim korrigierte sie den ersten, wenig schmeichelhaften Eindruck etwas. Er hatte ohne Frage einige seelische Verwundungen, die nicht heilen wollten. Man musste kein Psychologe sein, um das zu erkennen.
Das Wetter war in den vergangenen Tagen immer besser geworden, und Sophie genoss nun in vollen Zügen den herrlichen Ausblick auf die umliegende Landschaft und kurze, gelegentliche Ausflüge in die nähere Umgebung.
Zu ihrer großen Überraschung schlug Constantin eines Morgens sogar vor, sie auf einem ihrer Spaziergänge zu begleiten. Eine Weile schlenderten sie stumm nebeneinanderher und hingen, jeder für sich, ihren Gedanken nach. Als sie jedoch das Ufer des kleinen Gewässers erreichten, das sie bereits von ihrem Balkon aus gesehen hatte, stellte Sophie einige Fragen. Constantin erklärte ihr, dass der kleine See Loch Kellan hieß und ein Ausläufer des berühmten Loch Ness war. Nun wusste sie auch, wie das Anwesen zu seinem Namen gekommen war.
Kellan Manor lag ein gutes Stück nordwestlich von Inverness entfernt, inmitten der Highlands, einer wilden, aber beeindruckendschönen Landschaft. Berge, Wälder und weite grüne Täler – all das fand sich hier in einer atemberaubenden Kombination zusammen. Sophie liebte besonders den Ausblick auf einen sanften Hügel, der sich direkt an den wunderschönen Garten von Kellan Manor anschloss. Die Anhöhe war mit herrlich blühendem Stechginster bewachsen, und das leuchtende Gelb fügte sich ebenso in das Gesamtbild ein wie Loch Kellan, dessen tiefblaues Wasser im Sonnenlicht glitzerte.
Während sie langsam zurück zum Haus gingen, erzählte Constantin ihr ein wenig von der Geschichte des Landes, und sie hörte ihm fasziniert zu.
„Solange du hier bist, solltest du dir unbedingt einige Sehenswürdigkeiten ansehen“, riet er ihr, nachdem sie ihm gestanden hatte, dass sie zum ersten Mal in Schottland war. „Ich würde dich gerne beraten, welche Ziele sich wirklich lohnen. Natürlich gibt es auch einige sehenswerte Burgen und Ruinen, aber der Weg über das Schlachtfeld von Culloden ist zum Beispiel außerordentlich beeindruckend. Fort George ist auch nicht weit. Dort gibt es ein Museum, das sehr interessant ist. Man kann viel über die berühmtesten Clans und ihre Geschichte lernen. Vielleicht lässt du dich davon ja ebenso einfangen wie ich. Ja, und dann könnte man noch eine Tagesreise zum Loch Lomond machen. Es ist herrlich dort. Man sagt, dass Loch Lomond der schönste aller Seen in Schottland sei. Ich habe niemals ein vergleichbares Blau gesehen.“
„Loch Lomond? Da gibt es doch dieses berühmte Lied, nicht wahr? Davon habe ich schon gehört.“
„Jedes Kind in Schottland kennt die Ballade und die Legenden, die sich um die Entstehung ranken. The Bonnie Banks o’ Loch Lomond ist das wohl berühmteste schottische Volkslied. Ich habe es selbst auch schon einmal interpretiert. Aber das war mehr ein kleiner Spaß.“ Er lächelte. „In der Bibliothek findest du übrigens genug Lesestoff darüber. Eine Weile habe ich alles über Schottland gesammelt, was ich finden konnte. Wenn es dich also interessiert und du ein paar Anregungenbrauchst, kannst du dich dort gerne bedienen.“
Sie waren unterdessen wieder am
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