SOS - die Erde erkaltet
über dem sterbenden Planeten emporstieg, packte beide Männer. Als der Jeep endlich die Höhe des Rückens erreichte, stießen sie erschüttert einen Schrei der Erleichterung aus. Denn dort vor ihnen, so gar nicht zu dieser nächtlichen, altgewordenen Erde passend, erstrahlten die vertrauten Straßenbeleuchtungen Middletowns.
»Ich vergaß ganz das Antigefriermittel im Kühler des Jeep«, sagte Kenniston zusammenhanglos. Es war jetzt kalt. Der Wind blies scharf und schneidend, und sie fröstelten in ihren schweren Mänteln. Hubble nickte. »Man muß die Leute auf derlei Dinge aufmerksam machen. Sie wissen noch nicht, wie kalt es heute nacht werden wird.«
Kenniston sagte in hoffnungslosem Ton: »Aber nach der heutigen Nacht – wenn kein Brennstoff und keine Nahrung mehr da sind, was dann? Hat es denn irgendeinen Zweck, gegen das Unvermeidliche anzukämpfen?«
»Völlig hoffnungslos ist es nicht«, erwiderte Hubble. »Es mag noch andere überdachte Städte auf der Erde geben, die noch nicht ausgestorben sind. Menschen, Hilfe, Kameradschaft. Aber wir müssen durchhalten, bis wir sie finden. Das ist die Frage, über die ich die ganze Zeit nachdenke – wie können wir durchhalten?
Fahre zuerst zum Rathaus«, fügte er hinzu, als sie sich der Stadt näherten. Neben der Barrikade am Ende der Jeffersonstraße brannte jetzt ein flackerndes Feuer. Die Polizeiwachen und eine kleine Gruppe uniformierter Nationalgarde hatten in die einbrechende Dunkelheit hinausgestarrt. Sie begrüßten aufgeregt den Jeep, stellten neugierige Fragen, und ihr Atem dampfte in der eisigen Luft. Hubble weigerte sich gelassen, Antwort zu geben. Es würden schon Bekanntmachungen erfolgen. Sie müßten eben warten. Aber der terrierähnliche kleine Polizeikapitän, der ihnen durch die Gruppe den Weg bahnte, stellte noch persönlich Fragen, ehe sie ihn verließen. »Im Rathaus redet man allerhand Zeug darüber, daß die Erde tot sei. Was ist denn an dieser Geschichte dran, derzufolge wir angeblich durch die Zeit gefallen sind?«
Hubble wich aus. »Wir haben noch keine Gewißheit. Es wird einige Zeit dauern, es herauszubekommen.«
Der Polizeikapitän fragte scharfsinnig: »Was haben Sie da draußen gefunden? Irgendein Anzeichen von Leben?«
»Ach ja, es gibt da draußen schon Leben«, meinte Hubble. »Wir haben nur keine Menschen getroffen, aber es gibt Leben.«
Über die Südstraße fegte ein eisiger Wind, und sie sah leer aus wie in einer Februarnacht. Die Kälte vertrieb die Menge von der Straße. Doch rotteten sich immer noch an den Ecken verstörte Menschen zusammen, die gestikulierten und die Lage erörterten.
»Man muß es ihnen sagen«, meinte Hubble plötzlich. »Und zwar sogleich. Wenn sie nicht die Wahrheit erfahren, werden wir sie nie so weit bekommen, die Dinge zu tun, die jetzt durchgeführt werden müssen.«
»Sie werden es nicht glauben«, erwiderte Kenniston. »Oder wenn sie es tun, wird es wahrscheinlich eine Panik geben.«
»Vielleicht. Das werden wir riskieren müssen. Ich will den Bürgermeister veranlassen, eine Bekanntmachung über die Radiostation durchzugeben.«
Als Kenniston sich anschickte, hinter Hubble aus dem Wagen zu steigen, hielt ihn der andere zurück.
»Im Augenblick brauche ich dich jetzt nicht, Ken. Ich weiß, du machst dir Sorgen um Carol. Geh hin und sieh, ob es ihr gut geht.«
Kenniston fuhr nach Norden durch die Straßen, die bereits nahezu verlassen waren. Die Kälte nahm zu, und die grünen Blätter der Bäume und Sträucher hingen seltsam schlaff und leblos herab. Er hielt an seiner Wohnung. Seine Haushälterin überfiel ihn mit einem wahren Sturzbach von Fragen, und er antwortete ihr mit einem Hinweis auf eine bevorstehende Bekanntmachung im Radio. Er ging in sein Zimmer hinauf, holte eine Flasche Whisky hervor und trank einen halben Becher in einem Zug leer. Dann fuhr er zu Carols Haus weiter. Aus dem Rauchfang stieg kräuselnd, wie aus allen Kaminen der Stadt, Rauch empor. Er fand Carol und ihre Tante neben einem hell brennenden Kaminfeuer. »Das wird nicht genügen«, erklärte Kenniston ihnen. »Wir werden die Zentralheizung in Gang setzen müssen. – Und die Sturmfenster einhängen.«
Carol kam und stellte sich vor ihn. »Du weißt eine Menge mehr, als du uns erzählst, Ken. Vielleicht meinst du, es wäre besser, uns zu schonen, aber ich will alles wissen.«
»Sobald ich das Haus zurechtgemacht habe«, sagte Kenniston niedergeschlagen, »werde ich dir, so gut ich kann, alles erzählen.
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