SOS - die Erde erkaltet
betäubt und spürte, wie ihn seine Müdigkeit völlig übermannte. Dann ertönte eine Glocke, und das kleine Schiff flog gegen den Himmel. Man empfand die ungeheure Beschleunigung nicht stark, aber doch mehr als in der ›Thanis‹. Er hatte inzwischen etwas von dem elastischen Kraftausgleich erfahren, der alles in einem Sternenschiff erfaßte und den Druck der Beschleunigung milderte. Wie im Traum lauschte Kenniston dem unheimlichen Pfeifen der Luft, die an dem Schiffsrumpf außen vorbeistrich. Dann sah er durch eine Luke den großen, wolkenbedeckten Körper von ›Wega vier‹ langsam und majestätisch entschwinden. Jetzt gab es keinen ›Himmel‹ mehr, an seine Stelle trat das schwarze Gewölbe des Raumes, das dicht mit Schleifen, Ketten und Gehängen leuchtender Sonnen geziert war. Später merkte er, daß Gorr Holl ihn mit seiner großen Pfote sanft rüttelte. »Kommen Sie, Kenniston. Sie sind ja ganz erschöpft. Es ist Schlafenszeit.« Der große Kapellanier trug ihn förmlich in eine Kabine und rollte ihn in die Koje.
Stunden später erwachte er und fühlte sich wie eingerostet und noch immer müde von der Überanstrengung der verflossenen Tage. Er blickte hinaus. Der Kreuzer befand sich jetzt im Raum und flog dröhnend durch den mächtigen Abgrund, der ihn von der Erde trennte.
Er steckte den Kopf auf die Brücke hinaus und entdeckte dort Magro mit dem Chefpiloten. »Ich habe bei dem Mann, der den Fernsehapparat bedient, mitgehört«, sagte der Spicaner. »Bis jetzt hat man auf ›Wega vier‹ noch keinen Alarm gegeben. Aber es wird einen geben, wenn man entdeckt, daß Varn Allan, Lund und wir verschwunden sind.«
»Ja. Und die Kontrollschiffe werden uns wie Hunde jagen. Viel Zeit wird uns auf der Erde nicht bleiben.«
Kenniston schwieg. Dann fragte er: »Wo ist Amol?«
»Sie werden ihn unten im Bombenabteil finden.«
Während Kenniston sich über eine Reihe von Leitern den Weg zu dem Raum hinuntertastete, wo die große Bombe in ihrem Lager ruhte, erwachte erneut der beunruhigende Zweifel in ihm.
Bis jetzt hatte ihn die schnelle Entwicklung der Ereignisse unterdrückt. Aber nun erschien es ihm plötzlich phantastisch, die Hoffnungen der letzten Erdenbewohner an diese Bombe zu hängen. Sie war erst ein einziges Mal ausprobiert worden, und dieser Testversuch hatte unheilvoll geendet …
Jon Arno! aber saß in dem düsteren Licht und lächelte glücklich und friedvoll. »Ich habe mein ›Kind‹ bewundert, Kenniston. Das kommt Ihnen albern vor, nicht wahr? Aber ich habe den größten Teil meines Lebens dieser Erfindung gewidmet. Ich habe gewartet, wie lange habe ich ausgeharrt! Und jetzt, über eine kleine Weile …« Sein Blick ruhte liebevoll auf dem schwarzen, metallischen, eirunden Körper in seinem wiegenförmigen Behälter. »Diese Energiebombe ist ein erfüllter Traum und bedeutete ein halbes Leben mühseliger Arbeit. Sie ist eine Gewalt, die eine Welt wieder zum Leben erwecken wird.«
»Kann diese Bombe denn wirklich die Eigenwärme der Erde neu entfachen?« rief Kenniston voll quälendem Zweifel aus. »Und wie?«
»Ich weiß um die Ungewißheit, die Sie bedrücken muß«, sagte Amol ein wenig hilflos. »Gerne würde ich Ihnen meine Berechnungen erklären. Aber wie kann ich das, ohne Sie zuerst all das zu lehren, was die Jahrhunderte an neuer Erkenntnis gebracht haben?« Er fuhr fort: »Aber Sie sind Wissenschaftler, wenn auch ein primitiver. Ich werde versuchen, Ihnen zumindest das Prinzip verständlich zu machen. Wie Sie wissen, beziehen die meisten Sonnen ihre Energie von einer Kernreaktion; Wasserstoffatome werden dabei in Heliumatome verwandelt und durchlaufen eine aufeinanderfolgende Reihe von Transmutationen, die Kohlenstoff und Stickstoff einschließen.«
Kenniston nickte hastig. »Ja, der Kohlenstoff-Stickstoff-Zyklus wurde schon zu meiner Zeit entdeckt. Die Gelehrten nannten ihn den ›Sonnenphönix‹. Der winzige Bruchteil von Atom-Massendifferenz, der nach Ablauf des Zyklus übrigbleibt, ist die Quelle der Sonnenstrahlung.«
»Genauso ist es«, meinte Amol. »Eine Tatsache aber wissen Sie nicht: In den Zeitaltern seither haben Wissenschaftler es fertiggebracht, ähnliche zyklische Reaktionen mit anderen, schwereren Elementen zu erzielen. Diese Vorgänge sind der Schlüssel zu meinem Prozeß. Gleich Ihrer Erde besitzen die meisten Planeten einen zentralen Kern aus Eisen und Nickel. Nun, eine Umwandlung von Eisen und Nickel durch eine zyklische Reaktion ist im Laboratorium
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