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SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)

SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)

Titel: SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)
Autoren: Michael Winterhoff
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Kindergarten zu beteiligen, unter dem sehr interpretationsfähigen Oberbegriff »Partizipation«, also »Teilhabe«, zusammenfasst. Das lässt viele Deutungen zu, klingt gut und ist quasi kaum angreifbar. Manchmal jedoch finden sich in umfangreichen Dokumenten offizieller Natur kleine Erläuterungen, wie weit diese Teilhabe zu gehen hat. Schaut man beispielsweise in die »Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz«, so findet man eine Menge wohlklingender Worte über moderne Kindergartenpädagogik, und es bedürfte eines eigenen Buches, um die vielen diskussionswürdigen Stellen zu erläutern. Zum Begriff der »Partizipation« findet sich jedoch folgende Passage, die sich inhaltlich ein Stück weiter aus der über weite Strecken vorherrschenden Beliebigkeit hervortraut:
    »Selbstständiges Lernen und Partizipation von Kindern
    Die pädagogische Arbeit soll so angelegt sein, dass die Kinder zu selbstständigem Handeln und Lernen angeregt werden. Die Kinder sollen lernen, eigene Entscheidungen zu treffen und zu verantworten. Durch Partizipation im Alltag der Kindertagesstätte erleben Kinder zentrale Prinzipien von Demokratie. Partizipation setzt eine entsprechende Haltung von Erzieherinnen und Erziehern voraus, die sich in alltäglichen Handlungen und in besonderen Methoden wie z. B. der Kinderkonferenz widerspiegeln.
    Voraussetzungen hierzu sind, dass:
    – die Beteiligung der Kinder als Planungs- und Handlungsgrundsatz gilt,
    – Raumnutzung und Raumgestaltung flexibel sind,
    – den Kindern das Material zur freien Auswahl zur Verfügung steht,
    – die Kinder über Art und Dauer einzelner Aktivitäten in der Regel frei entscheiden können,
    – die Kinder kleine Gruppen bilden und sich für Einzeltätigkeiten spontan entscheiden können,
    – die Erzieherinnen und Erzieher die Wünsche und Interessen der Kinder ernst nehmen und mit ihnen zusammen planen,
    – die Erzieherinnen und Erzieher vor allem eigene Aktivitäten der Kinder anregen und fördern,
    – Normen und Gebote den Kindern verständlich sind, wobei die Kinder die Zweckmäßigkeit infrage stellen können,
    – Regeln mit Kindern gemeinsam ausgehandelt werden.«
    Man muss es sich immer wieder vor Augen führen: All diese Aussagen beziehen sich auf Kinder in einem Alter zwischen zwei und sechs Jahren! Wie weit die kindliche Psyche sich in Bezug auf selbstständiges und freies Denken und Handeln in diesem Alter normalerweise entwickelt hat, lässt sich an der Entwicklungspyramide ablesen. Vier- oder Fünfjährige brauchen Anleitung, Begleitung, Spiegelung, sie brauchen vor allem die Erzieherinnen als feste Bezugsperson. Dabei gibt es einen Unterschied zwischen Beziehung und Kontakt. Wenn Erzieherinnen »Regeln verhandeln«, sind sie auch in Kontakt mit den Kindern. Die Erzieherinnen beziehen die Kinder aber in diesem Moment nicht auf sich, sondern überfordern sie mit ihrer partnerschaftlichen Sichtweise, indem sie sie verhandeln lassen wie Erwachsene.
    Auffällig an dieser Passage ist auf jeden Fall die Tendenz, klassische Aufgaben der Erzieherinnen an Kinder zu delegieren. Man suggeriert damit, das sei notwendig, damit aus Kindern gute Demokraten werden. Aus meiner Sicht wäre die Voraussetzung, um als Erwachsener Demokratie leben zu können, jedoch vor allem eine entwickelte emotionale Psyche.
    Wohlgemerkt: Mir geht es nicht darum, dem Kind jegliche Möglichkeit zu Entscheidungen abzusprechen. Kinder sollen und können sich äußern, es muss nur klar sein, dass Erwachsene je nach Alter des Kindes entscheiden, in welchem Bereich diese Entscheidungen stattfinden und wie weit diese gehen sollen. In der Regel werden Kinder dann sogenannte Unterentscheidungen treffen können. Das heißt: Ich als Erwachsener entscheide, ob das Kind noch ein Stück Kuchen essen darf, das Kind kann aber sagen, ob es Erdbeerkuchen oder Kirschkuchen möchte. Ich entscheide, ob Zeit und Gelegenheit ist, auf den Spielplatz zu gehen, das Kind kann aber sagen, ob es rutschen, klettern oder in der Sandkiste spielen möchte. Dies sind nur zwei Beispiele, Ihnen als Leser werden sicherlich diverse weitere Situationen einfallen, in denen Erwachsene Kinder auf diese Weise schützen und leiten.
    Die einzelne Erzieherin kann sich indes dem Druck, »modern« zu arbeiten, kaum entziehen und ist dadurch gezwungen, Konzepte in ihrer täglichen Arbeit anzuwenden, die sie selbst vielleicht gar nicht mittragen möchte. So schrieb mir kürzlich eine Erzieherin
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