Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)

SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)

Titel: SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Winterhoff
Vom Netzwerk:
der Praxis berichten.
    Keine Note schlechter als »Drei« – Das ist längst Realität
    Sie sind seit sechzehn Jahren im Grundschullehramt tätig und waren außerdem vorher bereits als Erzieherin in einem Kindergarten. Wie hat sich Ihr Beruf in den letzten Jahren verändert?
    Es sind massive Veränderungen festzustellen. Das beginnt bei der Anzahl der auffälligen Kinder innerhalb einer Klasse, geht weiter über die Art und Weise der Unterrichtsgestaltung durch den Lehrer und endet beim Verhalten der Eltern, zum einen gegenüber ihren Kindern, zum anderen aber vor allem auch gegenüber uns Lehrern.
    Wie hat sich die Zahl der auffälligen Kinder verändert? Und woran machen Sie fest, dass diese Kinder »auffällig« sind?
    Nach meiner Erfahrung, aber auch nach allem, was ich aus Gesprächen mit Kollegen an anderen Schulen weiß, geht die Tendenz mittlerweile dahin, dass etwa die Hälfte einer Grundschulklasse auffällig ist. Wobei sich dieser Begriff einfach nur auf grundlegende Standards bezieht, die für die einfachen Abläufe in einer Schulklasse notwendig sind.
    Zum Beispiel?
    Das ist beispielsweise die Fähigkeit, eine Schulstunde lang ruhig sitzen zu bleiben, ohne alle paar Minuten auf irgendeine Art und Weise den Unterricht zu stören. Oder die Fähigkeit, überhaupt zu registrieren, dass da vorne eine Lehrperson steht, die für die nächsten fünfundvierzig Minuten bestimmen wird, was gemacht wird. Es gibt Kinder, die nehmen mich schlicht und ergreifend nicht wahr, sondern benehmen sich, als wenn sie allein im Raum wären.
    Was hat das für Konsequenzen?
    Eine Konsequenz ist, dass mittlerweile häufig fast das komplette erste Schuljahr an einer Grundschule dafür geopfert werden muss, alle Kinder in einer Klasse wenigstens halbwegs so weit zu bringen, dass überhaupt inhaltlich Unterricht gemacht werden kann. Das heißt, Sie versuchen erst einmal, eine Beziehung zu den Schülern zu etablieren, damit diese Sie als Lehrer akzeptieren.
    Danach ist aber dann normaler Unterricht möglich?
    Eingeschränkt. Ich als Lehrerin kann ja nicht in kurzer Zeit alles umkehren, was vorher schiefgegangen ist. Zumal man dabei häufig weder die Unterstützung von Kollegen noch die der Schulleitung und schon gar nicht die der Eltern hat.
    Diese müssten aber doch ein Interesse daran haben, dass ihre Kinder gute Schüler sind. Also auch ein Interesse daran, dass es in der Klasse vernünftig läuft.
    Da sagen Sie was… So einfach, wie man sich das vorstellt, ist es nicht. Natürlich haben die Eltern ein reges Interesse daran, dass es ihrem Kind in der Schule gut geht. Dieses Interesse bezieht sich nur leider häufig weniger auf das Erlernen bestimmter Inhalte als auf die reine Notenvergabe.
    Wie äußert sich das?
    Das kann ich Ihnen ganz konkret sagen. Ich kenne mehrere Grundschulen, an denen es mittlerweile völlig üblich ist, dass es keine schlechtere Note als eine »Drei« gibt.
    Wie kann das sein? Es ist doch unwahrscheinlich, dass alle Schüler einer Klasse oder sogar einer Schule mindestens auf Dreier-Niveau liegen …
    Ganz einfach: Als Lehrer senkt man einfach die Anforderungen so weit herunter, dass dieses Niveau irgendwann rauskommt. Im Fach Deutsch etwa werden dann nur noch geübte Diktate geschrieben. Wenn Sie eine oder zwei Wochen lang mit den Kindern den Diktattext quasi auswendig gelernt haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass noch Fehler gemacht werden, verhältnismäßig gering. Und schon haben Sie einen erstklassigen Notendurchschnitt und keine Probleme mehr mit den Eltern. Denn genau das ist der Hintergrund für dieses Vorgehen.
    Inwiefern?
    Die Eltern können nicht akzeptieren, dass es sein kann, dass ihr Kind auch mal eine schlechtere Note mit nach Hause bringt. Sie erwarten von der Schule, dass sie es hinbekommt, jedes Kind auf Gymnasialniveau zu befördern. Das wäre mit Klassenarbeiten auf einem normalen Grundschulniveau aber gar nicht möglich, weil sich die Notenverteilung dort immer weiter spreizen würde. Also gehen viele Kollegen hin und konzipieren Arbeiten so, dass bei jedem Schüler mindestens eine »Drei« herumkommt. Das führt übrigens dann dazu, dass an solchen Schulen die Übergangsquote aufs Gymnasium bei rund 99 Prozent liegt. Völlig unabhängig davon, ob die Kinder das Niveau tatsächlich besitzen.
    Geben Sie schlechtere Noten als »Drei«?
    Ja, ich mache das immer noch. Allerdings mit den entsprechenden Konsequenzen: Eltern, die wutentbrannt zu mir kommen, von mir verlangen, mich dafür

Weitere Kostenlose Bücher