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Soucy, Gaetan

Soucy, Gaetan

Titel: Soucy, Gaetan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trilogie der Vergebung 02 - Die Vergebung
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gepackt.
    Er schlug einen Akkord in den tiefen Tönen an und ließ, bis der Klang erstarb, die Stirn an den Resonanzkasten gelehnt. Eine entsetzliche Hoffnung erfüllte seine Brust, entsetzlich ob ihrer Schönheit, und Louis fürchtete, sich ihr hinzugeben. War es möglich, dass Maurice der Urheber dieses Stückes war? Er taumelte zum Fenster und hob die Vorhänge. Keine Spur vom jungen von Croft.
    Louis fühlte sich verraten, machtlos, voller Spott über sich selbst. Er griff sich das Strickzeug, das auf dem Sessel herumlag, und setzte es sich auf, als Parodie der Perücken des 18. Jahrhunderts. Er betrachtete sich in dem kleinen Spiegel, der über dem Klavier hing. »Johann Sebastian Bach«, sagte er zu sich mit innerem Hohngelächter. Er schnitt sich eine Grimasse. Er entledigte sich des Strickzeugs mit einer Geste, in der schwere Enttäuschung verborgen lag.
    Françoise, Françoise,
    meine Geliebte, meine Liebste,
    meine barfüßige Prinzessin,
    wie sehr Du mir fehlst, und auch unser Kind! Unter den armen Soldaten, die im Krieg ihr Bein verloren haben, soll es einige geben, die noch immer Schmerz darinemp finden. Man nennt es Phantomschmerz. Und Du re dest mir in Deinem letzten Brief von Gott! … Dein letzter Brief, den Du in meinem Gepäck versteckt hast, so als sei es Dir nicht mehr möglich, mit mir zu reden. Aber ich bin abgeschnitten von Gott, seit Monaten, und Du weißt es! Ich empfinde eine KÖRPERLICHE Unfähigkeit, an Ihn zu glau ben. Oh!, ich weiß, was Du sagen wirst: »Jesus, Buddha, höchstes Wesen, nenne ihn, wie Du willst! …« Wenn es doch nur eine Frage des Wortes wäre! Ich lebe nur noch durch meine Überzeugung, besser als Gott zu wissen, worin unsere Pflicht besteht, oder zumindest die meine. Solange man an Ihn glaubt, handelt man nach dem Gesetz, im stillen Verlangen, Ihm zu gefallen. Es ist, als würde man, um Gott zu verführen, vor Ihm mit den Hüften kreisen wollen. Was die Pflicht eigentlich von einem fordert, kann man nur ermessen, wenn man jede Hoffnung fahren lässt, irgendetwas von Ihm zu erhalten. An diesem Punkt bin ich jetzt.
    Ich möchte außerdem, dass Du aufhörst, mich immer wieder an mein Oratorium zu erinnern, ich flehe Dich an. Das ist meine Strafe, Françoise, willst Du das endlich begreifen? Die Strafe für meinen Stolz. Ach, ich weiß, dass ich von nun an auf ewig unfähig sein werde, Musik zu erschaffen. Der hauchdünne Fa den, der mich an die Höhe band, wurde durch ich weiß nicht welche Sense durchtrennt. Nun fühle ich mich kahl. Mir friert der Himmel, wie einem die Hände frieren, wenn man die Handschuhe verloren hat.
    Er hielt inne, unterbrochen durch Genevièves Anwesenheit. Das Wohnzimmer war durch eine schmale Tür mitder hinteren Küche verbunden, und ebendort, an einem allzu kleinen Tisch, als wollte sie ihn überwachen, hatte Geneviève sich niedergelassen, um Kartoffeln zu schälen. Ihre steifen Gesten verrieten, wie zuvor, ihren gezügelten Zorn. Sie warf ihm dann und wann ein kleines Lächeln zu, scharf und verletzend.
    »Sie sind böse auf mich, nicht wahr?«
    Sie bat ihn, es zu wiederholen, so leise hatte er gesprochen.
    »Ich? Aber warum sollte ich böse auf Sie sein, Monsieur Bapaume? Sie haben mir doch nichts getan …«
    Und sie warf ihm einen stechenden Blick zu.
    Ja, zugrunde gerichtet, Françoise. Und ja, Deine Traurigkeit, Deine Hoffnungslosigkeit erdrückt mich. Jeden Morgen öffne ich die Augen in der von Tag zu Tag schwächer werdenden Hoffnung, dass Du wieder ein klein wenig Gefallen am Leben gefunden hast. Ich komme an Dein Bett, Dein Kopf ruht auf dem Kissen, glühend heiß, und Dein Körper lässt mich zu Eis erstarren. Deine Haare hängen Dir ins Gesicht, und ich drücke Dich an mich. Aber ich sehe Deine geröteten Augen, Dein von Müdigkeit gezeichnetes Gesicht, ich begreife, dass Du die Nacht über geweint hast, und ich spüre, wie meine Seele ihre ganze Substanz verliert. Wir sind gewiss nicht schuld an der entsetzlichen Lage, die uns beschert wurde, und ich werfe Dir nicht vor, dass Du nicht kämpfst. Aber Du hast mich in den schmerzvollen Zwang gebracht, für zwei kämpfen zu müssen. Du hast mich überschätzt. Ich versuche mit allen Kräften, den steilen Hang wieder hinaufzuklettern, schürfe mir Hände und Knie an denUn ebenheiten des Felsens auf, während Dein nackter Körper, leblos, eisig wie Gewissensbisse, Dein Körper, der nicht mehr kämpfen will, an einem Strick an mir hängt, der mir in die Lenden schnürt, mich in den

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