Soulbound (Ghostbound) (German Edition)
Tür herein kam, war sie erledigt. Das hier würde sie niemals erklären können. Doch dann erkannte sie, dass das anhaltende Poltern von der Waschmaschine im Nebenraum herrührte. Erleichtert stieß sie die angehaltene Luft aus und begann mit den Fingern jede Fuge, jede Schraube und jede Holzplatte abzutasten. Allerdings konnte sie nichts Verdächtiges entdecken. Nichts saß locker oder wirkte fehl am Platz. Leise ächzend richtete sie sich wieder auf.
Nachdem auch die sorgfältige Untersuchung des Spiegels erfolglos blieb, schob sie die Frisierkommode wieder zurück an die Wand. Anschließend zog sie die Schubladen heraus und untersuchte gründlich deren Rück- und Unterseite. Vom Inhalt der Schubladen ließ allerdings sie die Finger. Zum einen war Vincenzos Beute sicherlich besser versteckt. Und zum anderen kam es Elizabeth einfach falsch vor, in den privaten Sachen der alten Dame herumzuschnüffeln. Sie fühlte sich auch so unwohl genug dabei, in Rosas Privatsphäre einzudringen, aber sie beruhigte sich damit, dass der Zweck in diesem Fall die Mittel heiligte. Eine erfolgreiche Suche würde schließlich niemand anderem, als Rosa zu Gute kommen. Als sie auch mit den Schubladen nicht fündig wurde, stellte Elizabeth die umgefallenen Flakons und Fotos auf und machte sich daran, den Standspiegel zu inspizieren.
Ob Carla wohl wusste, wonach genau sie suchte? Wenn ja, war sie ihnen einen deutlichen Schritt voraus. Naja, um genau zu sein, war sie ihnen mehrere Wochen voraus. In dieser Zeit musste sie doch eigentlich schon jedes mögliche Versteck abgesucht haben. So viele Möglichkeiten gab es in diesem winzigen Zimmer schließlich nicht.
Elizabeths Hand verharrte mitten in der Bewegung, als die Erkenntnis sie mit der Wucht eines Güterzugs traf: Vincenzo hatte von seinem und Rosas Schlafzimmer gesprochen. Doch das hier war das Zimmer einer alleinstehenden älteren Dame. Nicht das Schlafzimmer eines Ehepaars. Das hier war das falsche Zimmer, und die Beute befand sich noch immer in dem Raum, der früher Vincenzos und Rosas gemeinsames Schlafzimmer gewesen war.
Und ihre Nichte Carla wusste vermutlich, welcher das war.
Sofort machte Elizabeth auf dem Absatz kehrt, löschte das Licht und schlüpfte auf den Gang hinaus. Leise, aber so schnell wie möglich, eilte sie zurück ins Foyer. Dort angekommen, ließ sie alle Vorsicht fallen und marschierte am Tresen vorbei auf das Hinterzimmer zu, aus dem noch immer eine rege Unterhaltung und Gelächter zu hören war.
„Hier bist du also!“, rief sie ärgerlich, als sei sie auf der Suche nach Daniel und hätte ihn nun endlich gefunden. „Du scheint dich ja köstlich zu amüsieren, was?“
Tatsächlich saß Daniel zwischen Carla und Rosa an einem runden Holztisch, auf dem neben einer Rotweinflasche und Gläsern auch Keramikschälchen mit Käse, Oliven und Brot standen. Ebenfalls am Tisch saß ein schlaksiger junger Mann, der nicht älter als zwanzig sein konnte und sich lässig in seinem Stuhl zurück gelehnt hatte. Die Runde schien sich bestens zu unterhalten.
„Liz!“ Daniel sah in gespielter Überraschung auf. „Setz dich doch zu uns.“ Einladend zeigte er auf den leeren Stuhl zwischen Carla und dem jungen Mann. Eine Sekunde lang hob er fragend eine Augenbraue, und ebenso schnell gab Elizabeth ihm mit dem Hauch eines Kopfschüttelns zu verstehen, dass sie nicht fündig geworden war. Für die anderen war dieser geheime Austausch unmöglich erkennbar gewesen.
„Nein, danke“, erwiderte Elizabeth spitz. Sie sah grimmig in die Runde und widmete vor allem Carla einen frostigen Blick, dem diese mit einem sowohl hochmütigen wie mitleidigen Lächeln begegnete. Rosa hingegen sah Elizabeth eher peinlich berührt an, und der junge Mann einfach nur neugierig. „Da du die Gesellschaft ja offenbar sehr genießt, will ich nicht weiter stören.“ Als wäre sie aufs Tiefste beleidigt, machte sie kehrt und schritt, ohne ein weiteres Wort oder einen Blick zurück, die Treppe hinauf.
Nur wenige Minuten später klopfte es drei Mal an der Tür. Als Elizabeth eilig öffnete, lehnte Daniel mit einem steinerweichenden Hundeblick im Türrahmen und hielt ihr eine langstielige rote Rose entgegen. „Darf ich bitte wieder rein kommen, Baby?“
Elizabeth trat zurück und machte ihm Platz. „Na gut“, sagte sie theatralisch seufzend. „Auch wenn ich wirklich nicht weiß, ob ich dir so schnell verzeihen kann.“
Ein Grinsen verkneifend trat Daniel ein, schlang einen Arm um ihre Taille
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