SOULMATE (German Edition)
Arbeit nahm Colette mir auf eine raffiniert liebenswerte Art das Versprechen ab, am Abend - komme, was wolle - bei Finn anzurufen, sollte er sich bis dahin nicht bei mir gemeldet haben. Vielleicht versprach ich es auch deshalb, weil ich genau wusste, dass ich einen weiteren Tag ohne Kontakt nicht würde aushalten können. Ich glaubte, was auch immer passieren würde, alles würde besser sein, als dieser elende Zustand der Ungewissheit.
So kam ich, mit einer hoffnungsvollen Entscheidung, ganz gut durch meine Schicht.
Es war heute viel mehr los als sonst, weil ganze Schulklassen kamen, um sich am Kinotag ‚Avatar‘ anzusehen, der immer noch sehr erfolgreich lief.
Mein Handy blieb so stumm und bewegungslos, dass ich es zweimal aus meiner Gesäßtasche zog, um zu checken, ob es auch an war und mit dem Empfang und dem Akku alles stimmte. Ich machte sogar einen Testanruf bei meinen Eltern und erfuhr von meiner Mutter, dass Natalie sie am Sonntag besucht und von unserem »tollen Abend im ‚MikroManiac‘« erzählt habe. Sie, Natalie, sei sehr froh, dass wir uns wiedergesehen hätten, und habe sehr lieb über mich und meinen neuen Freund gesprochen. Er sei doch jetzt mein neuer Freund, oder etwa nicht?
Nachdem sie die Frage rausgehauen hatte, wartete sie stillschweigend - sicher zum Platzen neugierig - auf meinen Kommentar. Zuerst wollte ich nicht darauf eingehen, hielt es dann doch für klüger, ihr die gewünschte Info zu geben und sagte, dass ich den Abend und das Treffen mit Natalie auch schön fand. »Und ja, Mama, er ist mein neuer Freund.«
Hoffentlich!
Ich hörte sie lächeln. »Oh, weißt du, Valerie, ich freue mich sehr, dein Papa auch. Finn ist wirklich ein sehr netter junger Mann … mit viel Charme und so gut aussehend.« Ich lauschte geduldig, denn, wie ich sie kannte, würde sie auf irgendeine Art Ermahnung zum Schluss nicht verzichten können. Und die kam auch prompt: »Trotzdem, du passt schön auf dich auf, ja, du weißt schon, was ich meine!«
Der Groschen fiel erst einige Sekunden später. »Oh, ah ja, na klar, Mama, also echt. Ich bin erwachsen, mach dir mal keine Gedanken, ich kann mich schon gut schützen, versprochen.«
Es war schon mein zweites Versprechen an diesem Tag. Ich sollte wirklich etwas sparsamer mit meinen Versprechen sein , dachte ich, so ganz nebenbei.
Auf dem Heimweg wuchs meine innere Anspannung rapide an, denn ich wusste, der Zeitpunkt, an dem ich meinen gewagten Entschluss würde in die Tat umsetzen und die Initiative ergreifen müssen, kam immer näher.
Und als ich zuhause in meiner kalten Küche saß und mein Handy lang genug angestarrt und erfolglos beschworen hatte, nahm ich es endlich in die Hand, atmete mehrere Male ganz tief ein und aus und tat, was ich glaubte, nicht lassen zu können: Ich drückte auf die Kurzwahltaste, auf der ich Finns Nummer gespeichert hatte.
Ich war so entsetzlich aufgewühlt, dass ich am liebsten einen Rückzieher gemacht hätte, aber ich wusste, ich musste da durch, war am Ende meiner Kräfte und kein Widerstand war mehr möglich, war so am Ende, dass es mich nicht mehr kümmerte, was mein Handeln für Konsequenzen haben würde, Hauptsache, ich hatte wieder Kontakt zu ihm. Ich brauchte es so dringend, als hinge mein Seelenheil davon ab, wenn ich nicht …
Jedes einzelne Fragment meines Selbst, alles in mir drin hungerte unnachgiebig nach seiner Nähe, und ich dachte voller ehrfürchtiger Einsicht: So ist das also! So ist das also, wenn man jemanden abgöttisch liebt.
Ich hörte ein Freizeichen, hoffte sehr, dass mein Herz nicht anschwellen und aus meinem Brustkorb herausplatzen würde, hoffte, dass ich die richtigen Worte finden würde … hoffte so vieles …
»Hel… Hallo, Valerie!?«
Ich schluckte aufgeschreckt. Es war seine Stimme. Wasser für eine Verdurstende … »Ja, ich bin‘s … ähm, ich … ich wollte dich nicht stören, bitte sag‘s mir, falls ich störe, aber … ich muss dich sprechen, Finn.«
Stille.
Nicht einen einzigen Ton konnte ich vernehmen, als wäre er gar nicht dran … Es dauerte gefühlte Ewigkeiten, bis er wieder etwas sagte: »Du störst nicht. Worüber wolltest du mit mir reden?«
Er klang so kühl und sachlich. Oh, bitte nicht … Mein Magen begann bereits, sich zu verkrampfen. Aber ich durfte mich nicht irritieren lassen … nein, jetzt nicht irritieren lassen …
Denk an all die schönen Momente, die wir hatten …
Ich musste fest daran glauben, dass ich ihm etwas bedeutete … »Ich
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