SOULMATE (German Edition)
wie ein riesiger Klecks aussah, ‚The Black Sheep‘ geschrieben stand: seine aktuelle Lieblingsband, für die er als Streetteamer freiwillig stundenlang in der Kälte herumstand und mit missionarischem Einsatz Flyer verteilte, und … auf die er nichts, aber auch gar nichts, kommen ließ. Seine dunkelblonde Sturmfrisur - das Unwetter musste sehr heftig von hinten gekommen sein - umrahmte auf eine äußerst anarchische Weise sein jungenhaftes Gesicht. Seine Haut war wie immer makellos glatt und rosig wie ein Babypopo.
Lenny war, anders als Patrick, generell weder besonders kopflastig noch besonders ambitioniert und sah auch ganz anders aus, als hätte er komplett andere Eltern. Wäre da nicht witzigerweise dasselbe Muttermal auf exakt derselben Stelle wie bei Patrick - ein sanduhrförmiger brauner Fleck in der Größe einer Erdnuss auf dem rechten Schulterblatt - würde man ihnen ihre geschwisterliche Verwandtschaft nie im Leben abkaufen.
»Ey, Klasse, ihr habt Sekt mitgebracht, kommt rein!«, rief er hellauf begeistert und viel zu schrill. »Finn wollte nämlich gerade losgehen und ein paar Flaschen besorgen.«
»Braucht er wohl nicht mehr«, sagte Patrick und hielt ihm den Sekt vor die Nase. »Es sei denn, zwei Flaschen reichen nicht?«
»Doch, doch, reicht schon, reicht schon, wir sind ja nur zu viert. Wollen schließlich brunchen und nicht uns besaufen, hehe«, rief er, während er mit den Flaschen in die Küche verschwand, von wo aus sich der Duft aufgebackener Baguettes in der restlichen Wohnung ausbreitete.
Lennys Wohnung bestand neben einer gut ausgestatteten kleinen Küche und einem Badezimmer mit Wanne und Duschkabine - wegen Letzterem beneidete ich ihn sehr - aus zwei großen Zimmern, die nebeneinanderlagen, und einem schönen Südostbalkon, das sich im hinteren - in Lennys - Zimmer befand. Er musste keinen Cent Miete für seine komfortable Bleibe bezahlen, die idealerweise seinen Eltern gehörte.
Der ursprüngliche Plan hatte vorgesehen, dass Patrick und Lenny zusammenziehen, aber Patrick hatte sich in der Riesenwohnung von Kai und Samantha einquartiert, da er sich dort als zukünftiger Innenarchitekt regelrecht austoben durfte, und so war Lenny dann allein - mit seinen tausend Pflanzen wohlgemerkt - in die elterliche Eigentumswohnung gezogen.
Wenn man Lennys Wohnung betrat, wurde man von allen Tönen der Farbe Grün eingelullt wie von Liebesgeflüster.
Patrick schritt voraus und peilte das hintere Zimmer an, während ich reichlich nervös hinter ihm her dackelte.
Gleich sehe ich ihn , war der einzige Gedanke, der verheißungsvoll und einschüchternd zugleich in meinem Kopf umherrotierte … gleich sehe ich ihn … gleich sehe ich ihn … gleich sehe ich ihn …
Er saß im Schneidersitz auf dem Boden und hatte einen Haufen CDs vor sich liegen, die er einzeln mit kritischem Blick inspizierte. Als wir das Zimmer betraten, hob er kurz den Kopf, begrüßte uns mit einem knappen Kopfnicken und einem verschlafenen »Hi«, fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und fragte: »Habt ihr `ne Idee, was jetzt die passende Musik wäre?«
Wie süß verpennt er aussah! Die Haare am Hinterkopf waren total zerzaust und standen etwas ab, wie bei Johnny Depp in dem Film »Arizona Dream«, in seinem Mundwinkel steckte eine nicht angezündete Zigarette, als wäre sie ein beabsichtigtes Accessoire. Er trug ein knallrotes T-Shirt und so eine Art Armee-Hose mit hundert Taschen überall.
Patrick setzte sich gleich neben ihn, musste aber vorher eine mächtige Yucca-Palme aus dem Weg schieben. »Was gibt es denn im Angebot, lass mal sehen«, sagte er und begann ebenfalls, in dem CD Haufen zu wühlen.
Ich, im Kampf gegen meine lästige Nervosität, die mir wieder in sämtliche Glieder gefahren war, floh zu Lenny in die Küche und bot ihm meine Hilfe an.
Der Sekt musste geöffnet werden und das Baguette geschnitten - na also. Ich griff mir ein Brotmesser und holte eins der zwei Baguettes aus dem Ofen hervor, um es schön langsam in ordentliche Scheibchen zu schneiden. Meine psychische Verfassung erinnerte mich ein wenig an die Führerscheinprüfung vor zwei Jahren: eine Mischung aus Vorfreude, Aufregung und Angst.
Lenny hatte garantiert Anweisungen von Patrick bekommen, bloß nichts bezüglich der Silvesternacht und der Knutscherei zwischen Finn und mir zu erwähnen. Um mir die Anspannung zu nehmen, erzählte er ein paar beknackte Chuck Norris Witze, quasselte ununterbrochen, während er eine üppige
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