SOULMATE (German Edition)
ich wieder zu mir kam, lag ich auf einer fahrbaren Trage im Krankenhausflur, und Lenny blickte mit kreidebleichem Gesicht auf mich herab.
»Hey, Hallo, da bist du ja wieder!«, sagte er, um ein aufheiterndes Lächeln bemüht und nahm vorsichtig meine Hand.
»Was ist … mit ...?«, stammelte ich leise, aber Lenny ließ mich nicht ausreden.
»Patrick? Der wollte uns allen nur mal einen Schrecken einjagen, alles wieder in Ordnung, ihm geht‘s gut, Vitalorgane stabil, haben sie gesagt, klingt doch gut, oder?«
Ich bin nicht religiös, aber in dem Moment dankte ich allen Göttern unseres Universums und denen der Paralleluniversen gleich mit. Und an diesem Tag begriff ich, dass Patrick für mich so etwas wie ein Familienmitglied geworden war, ein großer Bruder vielleicht … Mein großer Bruder …
»Valerie?« Er beugte seinen Kopf zu mir herunter, um mir in die Augen sehen zu können.
»Erinnerst du dich an diesen kahlköpfigen Verlagstypen Gunther Soundso, den wir auf der Geburtstagsfeier meiner Patentante kennengelernt haben, und der uns einen irren Vortrag über die vermeintliche »Wesenheit Seth« gehalten hat, diese angebliche ‚Energiepersönlichkeit‘ aus den Sechzigern, die sich eine Science- Fiction Autorin als Sprachrohr ausgesucht habe?«, fragte er.
Ich erinnerte mich. »Hieß er nicht Walter?«, fragte ich schwach.
»Walter? Ne, ich glaub, der hieß Gunther, aber ist ja auch egal. Ich bin selten jemandem begegnet, der sich so verdammt gut ausdrücken konnte. Man müsste annehmen, dass er ein richtiger Schlaukopf ist, hätte er nicht all diesen esoterischen, pseudophilosophischen Quatsch von sich gegeben, von wegen man existiere auch in anderen Welten, anderen Dimensionen, und das Selbst, das man kenne, sei nur ein Teilselbst einer größeren Wesenheit und lauter so Unsinn.«
Patrick wollte mich wohl mit aller Gewalt auf andere Gedanken bringen. Ich machte ein angestrengtes Gesicht. »Für ihn war es ganz offensichtlich kein Quatsch«, bemerkte ich, obwohl mich das Reden zu viel Kraft kostete.
»Das ist es ja! Genau, das meine ich.« Er strich zärtlich meine Locken zur Seite, um meinen Gesichtsausdruck besser sehen zu können.
»Was willst du damit sagen?«, fragte ich, weil er ganz sicher eine Frage dieser Art erwartete.
»Was will ich damit sagen? Ich will damit sagen, dass es mich verstört, wenn vermeintlich kluge, erwachsene Menschen solchen Humbug erzählen.«
Patrick machte sein ‚Nicht-mit-mir!‘ Gesicht, eine Mischung aus Empörung und radikaler Ablehnung. Ich war mir nicht sicher, ob er mich geschickt von meinen düsteren Gedanken abzulenken versuchte, oder doch ein echtes Anliegen mit diesem Gunther - oder Walter - hatte. Wie auch immer, ich musste feststellen, dass ich mich tatsächlich schon etwas besser fühlte.
»Manche Menschen brauchen nun mal etwas, woran sie glauben können. Irgendetwas, das ihnen Hoffnung gibt, ähm … einen Sinn und sei er noch so konstruiert. Sie suchen etwas, das … das ihnen Hingabe abverlangt … wie eine Religion eben«, quarkte ich daher, und Patrick grummelte und schüttelte den Kopf.
»Ich verstehe das durchaus! Nur, ich glaube lieber an etwas, das ich hören und sehen kann, und wenn ich Glück habe auch schmecken und fühlen!«
»Du bist halt Realist, ein rationaler Sturkopf.« Mir entwischte ein knappes Schmunzeln.
»Was heißt das denn?«
»Okay, ein Beispiel: Was ist mit Radioaktivität? Du kannst sie nicht hören, nicht sehen, nicht riechen und auch nicht schmecken und doch existiert sie! Was sagst du nun?«
»Ich kann sie mit Instrumenten messen!«
»Und wenn du keine Instrumente hättest? Radioaktivität würde es trotzdem geben, aber du könntest sie nicht nachweisen:«
»Ich dachte, du bist die heftigste Kritikerin esoterischer Theorien.«
»Bin ich auch. Ich verteidige hier im Prinzip nur die Glaubensfreiheit, am Beispiel des dicken Gunther … oder Walter.«
»Hm.«
»Intelligenz ist keine Garantie für logisches Denken, Patrick.«
»Ach ne!?«
Patrick kniff mich in die Seite, womit unsere Unterhaltung beendet wurde und eine kindische Balgerei losging, obwohl ich mich dafür eigentlich noch viel zu deprimiert fühlte …
Im Alter von sieben Jahren, als frischgebackene ABC-Schützen, hatten wir auch schon so herumgebalgt. In der Grundschule hatten wir die meiste Zeit nebeneinandergesessen. Die anderen Kinder versuchten uns zu ärgern und riefen: »Patrick und Valerie sind ein Liebespaar!« Aber wir lachten nur.
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