SOULMATE (German Edition)
manchmal frage ich mich, warum immer ich die Schelte bekomme, bin ich hier der Arsch vom Dienst oder was?«
»Ach, Quatsch, Sören. Du weißt genau, dass wir alle mal eins auf den Deckel kriegen, nicht nur du. Und mal abgesehen davon kommt das wirklich nicht oft vor, das musst du doch zugeben.«
»Ja, schon, aber …«
»Das Arbeitsklima hier ist doch im Großen und Ganzen sehr angenehm. Komm schon, das weißt du genau, du bist doch am längsten von uns allen dabei.«
»Vielleicht habe ich auch etwas übertrieben. Ich … Valerie, weißt du, was mir seit kurzem einen Scheißfrust bereitet?«
Er schaute voller Selbstmitleid mit bebenden Nasenflügeln und heruntergezogenen Mundwinkeln auf seine Hände. Der akkurate Bürstenhaarschnitt und die eng anliegenden, blassblauen Augen, die immer gerötet schienen, gaben ihm, zusammen mit den dünnen, farblosen Lippen, ein etwas strenges und verbissenes Aussehen.
Ich drehte mich zu ihm um. »Was denn?«
»Dass das mit meiner Sportkarriere möglicherweise nichts mehr wird und ich hier gestrandet bin ...«
Zwei etwa sechzehn- oder siebzehnjährige Jungs standen auf einmal an der Theke und klimperten aufdringlich mit ihrem Münzgeld. Sie wollten ganz schnell zwei große Cola und zweimal Nachos mit Käsedip. Nachdem ich sie bedient hatte, eilten sie, so schnell es ihnen mit den Nachoschalen überhaupt möglich war, zurück zu ihrem Film.
Ich wandte mich wieder dem überraschend redebedürftigen Sören zu. »Wie war das … gestrandet im Kino?«
Er schüttelte den Kopf. »Jein, ich meine nicht explizit unseren Job hier, sondern diese Art von Jobs, diese Handlanger Jobs, für die man höchstens die Hirnmasse einer Fruchtfliege braucht.«
Ich war über seine Klage doch erstaunt.
»Und was ist mit deinem Sport? Was für einen machst du überhaupt?«
Mir wurde bewusst, dass ich so gut wie nichts über Sören wusste, obwohl wir seit über einem Jahr zusammenarbeiteten. Vielleicht hatten wir ihm Unrecht getan. Colette hielt ihn für einen humorlosen Langweiler, und für mich war er einfach nur der dröge Kerl, der nicht viel zu erzählen hatte und am liebsten in seinen Sport- und Fitnessmagazinen herumblätterte. Nie im Leben hätte ich angenommen, dass er so unzufrieden war, weil er sich, wie er angab, intellektuell unterfordert fühlte.
»Ach, na gut, ich spiele Billard.«
Ich starrte ihn für ein paar Sekunden verständnislos an, überlegte kurz und stellte die falsche Frage: »Ist denn, also, ist Billard denn ein richtiger Sport?«
Er warf mir einen finsteren Blick zu, presste den Mund zusammen, zerknüllte seinen leeren Kaffeebecher, schmiss ihn in hohem Bogen in den Mülleimer und trottete davon.
»Hey, das war nicht … Ich hab doch bloß gefragt. Och, Sören, jetzt sei doch nicht so! Entschuldige bitte!« Ich versuchte, wirklich mit aller Macht, nicht zu kichern.
Colette kam die Treppenstufen herunter gepoltert, die Hand auf den Mund gelegt, ein schalkhaftes Lächeln in den Augen.
»Alo, alo, Vallrie, schön, du biest schon da? … Na Sören, mon ami, alles güt? Oh, die ‚Avatare‘ stöen wiederr an ihrem Platz, prima!«
Sie kam hinter die Theke und stupste mich mit kritischem Blick zu unserem miesepetrigen Kollegen in die Seite.
»Warum schaut derr wie ein kleiner Bub, der in die Ose Pipi gemacht hat?«, flüsterte sie.
»Wusstest du, dass er Billard spielt?«
»Äh? Iesch spiele auch Billard, na und?«
»Er meint, er wollte Profispieler werden, und dass Billard ein Sport sei, was mir nicht so klar war, deswegen habe ich ihn gefragt, und jetzt macht er auf schwer beleidigt ...«
Colette machte nur »Pff«, zupfte ihren Büstenhalter zurecht, steckte ihre Bluse tiefer in die Jeans und zog ihre hochgebundenen Haare straff.
»Ach egal, Vallrie, Monsieur beruigt sich schon wiederr, aber sag mal, wie war‘s denn so, gestörn Nacht mit deinem Übschling, eh?«
Sie wollte alles »aargenau« wissen, aber ich gab mich lieber zurückhaltend, schließlich waren wir mehr Kolleginnen als Freundinnen, und mein Liebesleben ging sie nicht wirklich etwas an, auch wenn sie vor Neugier und Sensationslust brannte.
Ich erzählte ihr lediglich, dass Finn und ich gemeinsam essen waren, dass er mich eingeladen hatte, wir danach zu mir gegangen waren und die Nacht miteinander verbracht hatten … fast die ganze Nacht, da er leider gehen musste …
Colette zog überrascht die Augenbrauen hoch, spitzte den Mund und machte riesengroße Augen. »Oh, err musste gehen?«,
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