SOULMATE (German Edition)
darauf wieder.
Und Sean, sein Bruder, habe es gehasst, diese ganzen Regeln und Zwänge und Strafen, und sei deshalb sehr früh, nämlich mit siebzehn, ausgezogen, genau in dem Jahr, in dem sich seine Eltern scheiden ließen.
»Was für Strafen gab es denn bei euch?«, fragte ich ihn verwundert, während ich mir eine Pommes in den Mund schob.
Finn antwortete nicht, sah mir stattdessen einige Sekunden lang sehr ernst und angespannt in die Augen. Ich hatte den Eindruck, als würde er etwas sagen wollen, könne aber aus irgendeinem Grund nicht.
»Die Steaks sind fertig«, sagte er schließlich, umfasste mit einer Hand den Pfannenstiel und schob mit der anderen den Pfannenwender unter das Fleisch. Ich hielt ihm schnell die Teller hin, damit er die fantastisch aussehenden Steakscheiben auftun konnte.
Dann saßen wir uns gegenüber, inzwischen sehr hungrig, prosteten uns diesmal mit Selters zu und wünschten uns guten Appetit.
Meine Frage bezüglich der Strafen griffen wir nicht wieder auf. Der Moment der Erkenntnis, dass es hierzu erstmal keine Antwort geben würde, erzeugte bei mir zwar ein Déjà-vu-Gefühl, aber es gelang mir, den Gedanken daran abzuschütteln.
Ich sah ihn hingerissen an. Er sah aus, als wäre er gerade super zufrieden mit sich und der Welt.
»Oh, hör mal, das ist doch …« Er hörte plötzlich auf zu kauen, lauschte gebannt, hielt den Kopf schräg und deutete mit dem Finger in die Luft.
»Na, aus welchem Film ist das wohl?«, fragte ich zwinkernd.
»Ja, ja, warte mal, gleich fällt es mir ein. Grandioser Soundtrack …« Er schnippte paar Mal mit den Fingern, als würde das sein Gedächtnis auf Trab bringen können und kam dann auf die Lösung.
»Conan, stimmt‘s? Natürlich, Conan, der Barbar, Basil Poledouris, große Klasse!«
»Hey, zehn Punkte für den Kandidaten mit den Grübchen!«
Sein Lächeln verschwand ganz plötzlich, als hätte ich etwas Falsches gesagt. Mit gesenktem Kopf kaute er auf seinem Bissen herum.
»Was ist?«, fragte ich verwirrt, mein Herzschlag wurde schneller.
»Ach, nichts, mir ist nur grad wieder bewusst geworden, dass ich schon eine ganze Weile nichts Vernünftiges auf die Beine gestellt habe …«, sagte er bedrückt. Sein abrupter Stimmungswechsel irritierte mich. Ich überlegte, was ich antworten konnte, das einigermaßen sinnvoll und tröstlich klang.
»Ich dachte, du machst so was wie eine Kreativitätspause?«
Er verzog einen Mundwinkel. »Hat dir das Lenny erzählt?«, fragte er zaghaft.
»Nein. Patrick.«
»Mhm, stimmt so nicht, weil man diese Pause leider nicht grad als freiwillig bezeichnen kann, verstehst du!«
Ich lächelte verhalten, mehr aus Verwunderung darüber, wie sehr ihn dieser Umstand scheinbar doch belastete.
»Heißt das, jemand zwingt dich zu einer Pause?« Wie naiv meine Frage doch war!
Er schüttelte energisch den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Ich würde mir von nichts und niemandem etwas aufzwingen lassen … Es ist eine ganz banale, verdammte innere Blockade«, entgegnete er mit fester Stimme und klang sehr von seiner Meinung überzeugt.
»Du meinst, du hast so was wie eine Künstler-Blockade?«, fragte ich. Es war eigentlich mehr eine rhetorische Frage.
»Ach was, Valerie«, sagte er abwehrend. »Dafür müsste ich erstmal ein richtiger Künstler sein!«
Ich wunderte mich, hatte ich doch nur ausschließlich das Gegenteil gehört und das auch noch von allgemein so schwer zu beeindruckenden Personen wie Patrick. Wenn er sich also nicht für einen Künstler hielt, war er entweder sehr bescheiden oder sehr selbstkritisch und übermäßig anspruchsvoll.
»Dann versteh ich nicht, was du meinst«, gab ich stirnrunzelnd zu.
Er trank sein Wasser aus, stellte das Glas wieder hin und starrte es an … oder starrte eher durch es hindurch, denn sein Blick schien keinen Fokus zu haben.
»Ich weiß es selber nicht so recht. In letzter Zeit sind mir einfach die Ideen ausgegangen. Mein Kopf ist voll und doch total leer. Ich weiß nicht, welches Projekt ich angehen will, habe keine Lust, die Leute zu kontaktieren, die ich unbedingt kontaktieren müsste und die nur darauf warten, dass ich endlich wieder etwas von mir hören lasse. Die wollen wissen, was meine Pläne sind. Die Jungs und Mädels vom Theater sind auch schon sehr wütend auf mich, weil ich mich aus den letzten drei Produktionen herausgehalten habe und mich außerdem zu wenig melde, seit ich in Europa bin … Verstehst du, ich habe gerade keine wirkliche Orientierung,
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