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Soutines letzte Fahrt: Roman (German Edition)

Soutines letzte Fahrt: Roman (German Edition)

Titel: Soutines letzte Fahrt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dutli
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Wie oft haben Sie den Finger in die Bauchdecke gestoßen, um ihn zu grüßen und zu verdammen …
    Der Arzt redet versonnen und zufrieden mit sich und seiner Medizin drauflos:
    Der Schmerz kommt rasch nach der Nahrungsaufnahme, weil die Magenwand, und damit auch das Geschwür, gespannt und gedehnt wird. Neben diesen Bauchsymptomen gab es bei Ihnen bestimmt auch Hinweise auf wiederholte kleinere Blutungen und damit auf Blutarmut, Anämie, nicht wahr?
    Der Maler ist jetzt wirklich bleich im Gesicht, ihm wird schwindelig von all den unerwarteten Ereignissen seines Bauches.
    Ein direkter Hinweis auf kleinere Blutungen ist Teerstuhl, schwarz und klebrig, wenn das Blut mit Magensäure in Kontakt kommt und durch sie zersetzt wird. Sie denken jetzt wohl an die Teergerüche in Smilowitschi, habe ich recht? Verehrter Monsieur Sutinchaim, sprechen wir lieber ein wenig von Farben, ja?
    Die Farben sind Schwestern der Schmerzen, sagt der Maler, und will Doktor Bog vom damals belauschten Gespräch in der Rotonde berichten. Doch der Häuptling spricht drauflos, ohne zuzuhören.
    Das Ulkus zeigt sich in der Gastroskopie in der Regel als rötlicher Defekt in der Schleimhaut, der meist mit weißen Fibrinfäden belegt ist. Zelltrümmer, fibrinoide Nekrose. Markantes ROT und schlieriges WEISS, das müsste Ihnen doch etwas bedeuten? Soweit also das floride Geschwür. Nach Abheilung des Ulkus bleibt zunächst eine gefäßreiche rote Narbe zurück, die dann in eine bindegewebige, weiße Narbe umgebaut wird – als ob das abheilende Magengeschwür für sein Porträt Ihre Lieblingsfarben gewählt hätte, nicht wahr? Den Rock des Messdieners, die Uniformjacke des Grooms, das Taschentuch Ihres Konditorjungen. Als ob das Magengeschwür Ihnen noch im Verschwinden hätte schmeicheln wollen. Sie wären wohl der beste Maler, Monsieur Sutinchaim, der das Magengeschwür zu malen wüsste. Und schließlich folgt wie nach allen wichtigen Dingen auf dieser Welt: Weiß. Es ist die Farbe des abgeheilten Magengeschwürs. Und als Triumph – das Einwachsen eines einreihigen Regeneratepithels!
    Der Maler schneidet Grimassen, wischt sich mit dem Ärmel einen Tropfen unter der Nase weg und zieht hörbar die Luft ein.
    Dann hat all die Milch … die ich in meinem Leben … getrunken habe … gar nichts geholfen?
    In Soutines Gesicht spiegelt sich das Elend aller Vergeblichkeit.
    Wissen Sie, verehrter Herr Maler, die Geschichte der medizinischen Irrtümer amüsiert uns hier am meisten. Wir lachen uns hier manchmal halbtot, wenn wir nichts anderes zu tun haben. Sie haben jahrzehntelang Milch getrunken und Ihr Bismutpülverchen hineingeschüttet, umgerührt und gehofft. Die Säure aber floss immer weiter aus, ergoss sich in Ihren Magen, machte Sie krumm vor Schmerzen. Das stechende Brennen im Oberbauch, die Anfälle von Erbrechen, der Teerstuhl – wir wissen doch, wie Ihnen zumute war. Die Ärzte haben von zerrütteten Nerven und schlechter Ernährung gefaselt, haben Ihnen Papaverin, Laristin und irgendwelche Terpentinpräparate, Bismutsalz und andere säurebindende Mittel, Antazida verschrieben und Sie wieder weggeschickt. In Ihrem Magengeschwür haben Sie selber die Quittung gesehen für die Trinkgelage mit Ihren Malerkumpanen, für Ihre Fehltaten vor Gott und ihre schlechtgenährte Kindheit, das verschmutzte Essen. Und wissen Sie was? Dieses kleine spiralige Würstchen war schuld. Helicobacter pylori.
    Dann hat die ganze Milch also nichts geholfen? fragt der Maler noch einmal, schüchtern-beharrlich.
    Bitte unterschätzen Sie unsere Kühe nicht, antwortet Doktor Bog. Milch puffert die Magensäure. Sie linderte ihre Beschwerden. Danken Sie den Kühen. Danken Sie, danken Sie, Sutinchaim. Ohne sie – was wäre Ihr Leben gewesen? Noch mehr Schmerz, als ob Sie nicht genug davon bekommen hätten. Ihnen war in gewissem Sinne nicht zu helfen. Niemandem ist zu helfen. Aber jetzt kümmern wir uns um Sie.
    Also gibt es eine Heilung?
    O ja, es gibt immer so etwas wie eine Heilung. Von allem. Und wenn sie Exitus heißt.
    Der Maler erschrickt über das spitzig vorragende Wort.
    Seien Sie beruhigt. Sie kommen hier nicht einmal unter unser glückliches Messer, Sie bekommen eine Triple-Therapie. Gleich kommt mein Assistent, Doktor Livorno, und stellt Ihnen ein paar kleine Fragen. Übrigens: Er hatte Tuberkulose, Morbus Koch, die Motten eben, hoch ansteckend und zu seiner Zeit unheilbar, und fühlt sich heute wunderbar. Vielleicht amüsiert es Sie, dass mit den Bakterien

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