Spademan: Thriller (German Edition)
eine Krankenschwester mir mitteilt, dass das Baby, das ich gerade gefunden hatte, gestorben ist.
Ich hatte den Müllsack so vorsichtig geöffnet, als würde ich mein eigenes Baby zur Welt bringen.
Ich hatte solche Angst vor dem, was ich im Inneren vorfinden würde.
Ein zweites Mal brachte ich so was nicht über mich. Auf die Nachricht zu warten. Auf Gewissheit zu warten.
Dort zu sitzen. Vornübergebeugt. Wartend.
Meine Müllmannhandschuhe zerknüllend.
Im Wartezimmer.
Mit all den anderen werdenden Vätern.
12
Gehe nicht vorbei, o Heiland,
hör des Herzens Schrei;
da du anderen Gnaden zeigest,
gehe nicht vorbei!
Gottesdienst an der Straßenecke. Ein Prediger auf einer Holzkiste. Davor eine große Menschentraube.
So was hat Zulauf in Endzeiten.
Persephones Geständnis hat mich erschüttert.
Und ich bin nicht gerne erschüttert.
Üblicherweise ist meine erste Reaktion auf eine solche Nachricht, dass ich das Teppichmesser ausfahre und jemanden suche, an dem ich mich abreagieren kann.
Aber das hilft mir in dieser Situation nicht weiter. Nicht viel zumindest.
Ich brauche Informationen. Also rufe ich einen Kumpel bei der Zeitung an.
Rockwell.
Der, der immer sagt, ich würde den Aufhänger begraben.
Ich lasse Persephone im Apartment zurück und verbiete ihr, irgendjemandem die Tür zu öffnen, egal, wer es ist.
Dann treffe ich mich mit Rockwell in einer Bar auf der Washington. Diese Hauptschlagader im stolzen Herzen von Hoboken. Die Bar öffnet sonntags ziemlich früh. Die meisten Bars tun das. Drinnen ist nicht allzu viel los, aber es ist auch nicht leer. Hier findet eine andere Form der heiligen Kommunion statt.
Der Barmann ist gleichzeitig auch der Besitzer – mein Gedichte zitierender Freund Sebastian aus der Dominikanischen Republik. Er ist nach dem Heiligen Sebastian benannt. Behauptet er zumindest.
Er stellt uns zwei Drinks hin.
Rockwell hat mal für die Times gearbeitet, bevor er gefeuert wurde. Wie sich herausgestellt hat, war er ein chronischer Lügner, bei der Arbeit und im Leben. Einmal hat er mir erzählt, er wäre Nachfahre des berühmten amerikanischen Malers Norman Rockwell. Mir geht so was prinzipiell ziemlich am Arsch vorbei, ob es nun stimmt oder nicht.
Inzwischen gibt er seine eigene Zeitung heraus. The Rockwell Report. Verschwörungen und Komplotte. Er ist der einzige Reporter. Man kriegt das Blatt an jeder Straßenecke. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er stellt große Stapel dort ab, und man kann sich eine nehmen. Gratis.
Nebenher betreibt er auch eine Website, natürlich im altmodischen Internet. Aber er sagt, er mag das Gefühl von Papier, den Geruch von Tinte. Er hat zwei Kopiergeräte aus einem ausgebombten Staples-Bürogroßhandel in der Nähe des Times Square gerettet. Hat sie mit dem Geigerzähler überprüft. Sie haben nur ein bisschen getickt, behauptet er.
Außerdem trägt er eine Hornbrille. Damit er zumindest wie ein Reporter aussieht.
Erzähl mir was über T. K. Harrow.
Was willst du wissen, was du nicht bereits weißt?
Alles, was du für wichtig hältst.
In Ordnung. Also, er hat diese große Kirche unten im Süden, die so ähnlich heißt wie eine Country-Sängerin. Hope Baptist. Hallelujah Hall. So was Ähnliches. Warte. Crystal Corral. Genau. So sieht’s aus.
Und sonst?
Fernsehen. Damit hat er angefangen. Und es ist höchst lukrativ.
Schauen denn noch viele Menschen fern?
Klar. Du solltest mal öfter die Stadt verlassen. Du wärst über rascht, wie viele Satellitenschüsseln man überall noch sieht. Nicht alle wollen sich jedes Mal eine Kanüle in den Arm rammen, um aus der Wirklichkeit zu fliehen. Außerdem ist Fernsehen quasi kostenlos – abgesehen von dem Geld, das du jede Woche in einem kleinen weißen Umschlag deinem Fernsehprediger schickst. Da kommt ein hübsches Sümmchen zusammen.
Das kann ich mir denken.
Und was seinen politischen Einfluss betrifft: Harrow veranstaltet jede Woche in Washington ein Gebetsfrühstück, das von circa zwölf Senatoren und vierzig Mitgliedern des Abgeordnetenhauses besucht wird. So sieht’s aus. Außerdem hat er mehr oder weniger dafür gesorgt, dass unser aktueller Präsident ins Amt gewählt wurde, der erste echte christliche Fundamentalist und Kanzeldonnerer im Weißen Haus. So sieht’s aus. Und jetzt hat er diese neue Geschichte am Laufen. Gepflastert mit Gold.
Sehr gut. Das sind brauchbare Informationen. Sie sind es wert, dass ich Rockwell auf eine weitere Runde einlade.
Sebastian serviert sie
Weitere Kostenlose Bücher