Späte Familie
etwas förmliches Sitzen, die Schabbatkerzen zwischen uns gieÃen ein dünnes Licht über den fast leeren Tisch, und er füllt meinen Teller, wartet gespannt, dass ich probiere, und ich esse vorsichtig, eine undefinierbare Mischung breitet sich in meinem Mund aus, ein Geschmack, der sich mit nichts vergleichen lässt, und er fragt, na, wie istâs? Ich verziehe das Gesicht, versuche zu sagen, interessant, und gebe sofort zu, um ehrlich zu sein, es schmeckt schrecklich.
Ich habe nicht gedacht, dass du so konservativ bist, sagt er enttäuscht, sei offen für neue Kombinationen, und ichsage, warum sollte ich, was soll an alten Kombinationen schlecht sein, was ist falsch an einer Pilzsuppe mit Zwiebeln und Sahne, und er sagt, die alten Kombinationen sind langweilig, und ich probiere gleich noch einmal, aber diese Kombination ist eine wirklich unmögliche Mischung, ich schaue ihn an, er führt begeistert den Löffel zum Mund, seine glatten Haare fallen ihm in die Stirn, seine Wangenknochen werden durch dunkle Schatten betont, ein fremder Mann, vielleicht sind auch wir das, eine unmögliche Mischung, er sitzt auf Amnons Platz, vor den Hunderten von Gerichten, die in all den Jahren auf unserem Tisch standen, vor Hunderten verschiedener Pasteten, Salate, Schnitzel, Steaks, Rühreier, und ich denke an Gili und Amnon, die sich vielleicht auch gerade in der kleinen Wohnung gegenübersitzen und Abendbrot essen, sagt er jetzt, wenn ich bei dir bin, vermisse ich Mama, und wenn ich bei Mama bin, vermisse ich dich, und wenn er Mama sagt, meint er mich, mich von allen Frauen auf der Welt. Die schmalen länglichen Augen der Schabbatkerzen tänzeln misstrauisch, wo ist der Beweis, ich brauche dringend den Beweis, dass ich diese Sehnsucht nicht umsonst auf ihn geladen habe, und sofort stürze ich mich mutig auf die Suppe, als verberge er sich in ihr, als wäre das der Giftbecher, den ich leeren muss, um meine Zweifel loszuwerden, und er schaut mir zufrieden zu, ich habe dir doch gesagt, dass sie dir schmecken wird, strahlt er, meine Mutter hatte nie Zeit, um für uns zu kochen, erzählt er, im Winter sind wir aus der Schule gekommen, hungrig und halb erfroren, wir haben den gesamten Inhalt des Kühlschranks in einen Topf geworfen, haben Wasser dazugetan und alles kochen lassen, und es ist immer etwas Gutes herausgekommen, und plötzlich spüre ich, wie mein Herz ihm entgegenschlägt und sich seinem alten Kummer öffnet, vielleicht kann man nur so seinen Nächsten in sich aufnehmen,durch Empathie und Erbarmen, Amnon, der wie ein verwöhnter Prinz aufgewachsen ist, hat nie solch ein Gefühl in mir geweckt.
Aufgewühlt von der Erkenntnis, die mir so beiläufig gekommen ist, nehme ich eine zweite Portion, und diesmal schmeckt es mir schon beinah, aus dem Teller schaut mir ein trauriger Junge in einer alten dämmrigen Küche entgegen, wie er vor fettigen Herdplatten steht, auf denen Gerichte brodeln und seltsam riechen, denn die Mutter ist zu beschäftigt, um zu kochen, die Mutter pflegt den Vater, und ich schaue zu ihm hinüber, versuche, mich an seine Anwesenheit zu gewöhnen, an seine ruhige Gelassenheit, seine aufrechte Haltung beim Sitzen, sein geschnitztes Gesicht, seine beherrschten Bewegungen. Ist alles in Ordnung mit dir, fragt er, wischt sich die Lippen mit der Serviette ab, und diese Worte, die einfachsten aller Worte, kommen mir einzigartig und vergoldet vor, so hat er mich damals angesprochen, in seiner Wohnung, ist alles in Ordnung mit Ihnen, und ich sage, ja, und mit dir, und er sagt, mehr oder weniger, sein Blick wandert durch das Wohnzimmer, bleibt an den geschändeten Bücherregalen hängen, und ich folge seinem Blick, als wäre ich hier so fremd wie er, und ich frage mich, ob ihn die Unordnung abstöÃt, die nachlässig zusammengewürfelten Möbel, die sich so sehr von denen in seiner Wohnung unterscheiden.
Wo wohnst du jetzt eigentlich, frage ich, und er sagt, vorläufig wohne ich in der Praxis, und ich wundere mich, wirklich, in der Praxis, ist das nicht deprimierend, und er sagt, ein bisschen, aber das passt vermutlich zu meinem Masochismus, und ich sage, ich habe nicht gedacht, dass du ein Masochist bist, und er sagt, warum nicht, hätte mir diese Suppe sonst so gut geschmeckt, und ich lache, auch wenn er gesagt hätte, ich bin ein Sadist, ich bin paranoid, hätte ich michüberschlagen vor Begeisterung, ich würde
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