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Späte Familie

Späte Familie

Titel: Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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ihm so gerne alle möglichen Fragen stellen, aber einstweilen betrachte ich ihn schweigend, lerne seine Bewegungen auswendig, und als wir Schokoladenkekse in den Kaffee tauchen, macht er aus seinem Kaffee wieder einen süßen Brei, und wieder fällt mir ein, wie ich ihm damals auf dem hohen Barhocker gegenübersaß und die Reste der roten Birne in meiner Hand zerdrückte, und eine hungrige und hoffnungslose Sehnsucht steigt langsam in mir auf, wie das Heulen eines Schakals, löst sich in dem unterdrückten Weinen auf, das aus einem der Zimmer kam, und ich frage, wer hat damals geweint, an jenem Morgen, und er fragt, an welchem Morgen, und ich sage, als ich Gili zum ersten Mal zu euch gebracht habe, erinnerst du dich, als ich dich im Klo erwischt habe, und er sagt, ob ich mich erinnere, fragst du, das war kein Morgen, den ich vergessen könnte, und ich sage, wirklich, warum?
    Weil ich damals beschlossen habe wegzugehen, sagt er, ich habe begriffen, dass ich keine Wahl habe, die ganze Nacht hat sie mich mit ihrem Misstrauen verrückt gemacht, und am Morgen war mir klar, dass es aus ist, dass ich so nicht weitermache, und ich frage, aber warum war sie so misstrauisch, hast du sie die ganze Zeit betrogen? Und er kommt mir so wunderbar vor mit seinem schönen langen Körper, dass ich ihm sogar dann, wenn er ja sagte, sofort Recht geben würde, ich würde nicht zurückschrecken, aber zu meiner Freude sagt er, nein, nicht die ganze Zeit, nur ein einziges Mal, aber es spielt keine Rolle, wie oft, die Geschichte hat sich in ihrem Kopf fortgesetzt, nachdem sie schon längst aufgehört hatte, und ich sage, erzähl es mir, und er lächelt mit geschlossenen Lippen, seine Hand zwickt sein Kinn, malt ein rotes Zeichen darauf, ich bin nicht daran gewöhnt, etwas zu erzählen, weißt du, ich bin daran gewöhnt,dass man mir etwas erzählt, seltsam, dass es bei dir umgekehrt ist.
    Vielleicht weil ich daran gewöhnt bin, mit Steinen zu reden, sage ich, und er lacht, vielleicht, aber ich fühle mich ein bisschen albern, wenn ich über mich sprechen soll, und ich sage noch einmal, erzähl es mir, und ziehe ihn zum Sofa, und auch auf ihm sitzt er aufrecht und etwas steif. Vor ein paar Jahren habe ich mich fast gegen meinen Willen in eine Frau verliebt, mit der ich gearbeitet habe, sagt er, eine Psychologin aus einer psychiatrischen Klinik, sie war so klein wie du und sie hatte auch einen schönen, geschmeidigen Mund wie du, und sein Finger, mit Schokolade und Kaffee verschmiert, gleitet über meine Lippen, nur ihre Haare waren anders, sie waren rot, als ich dich bei uns zu Hause sah, dachte ich erst, sie wäre es, mit gefärbten Haaren, ich war verblüfft, hast du das nicht gemerkt? Nein, eigentlich nicht, ich dachte, du seist irritiert, weil ich gesehen habe, wie du pinkelst. Er lächelt, nein, das hat mir nichts ausgemacht, das hat mir sogar gefallen, du hast mir überhaupt sehr gefallen, und ich lege meine Hand auf seine, du hast mir auch gefallen, ich wollte, dass du mich küsst, und er sagt, ich weiß, willst du es auch jetzt? Sehr, sage ich, und sein Finger fährt wieder und wieder über meine Lippen, als zeichne er sie nach, schiebt sich in meinen Mund, weckt ein brennendes, ungeduldiges Verlangen.
    Stell dir vor, dass ich dich küsse, sagt er, kannst du das? Schau, was für eine Kraft in dem liegt, das sich nicht verwirklicht, und ich staune, aber warum soll ich es mir vorstellen, wenn du doch hier bist, neben mir, und er sagt, weil ich es so will, und ich schließe die Augen, sein Finger gleitet wieder über meine Lippen, getaucht in Whisky und Süße, so wie man vor der Beschneidung dem Säugling die Lippen mit Wein befeuchtet, und ich versuche, sein Gesicht zu streicheln,aber er drückt meine Hand auf das Sofa, langsam, flüstert er, wir haben viel Zeit, mehr als du denkst, ich mag es, die Dinge auf meine Art zu tun, nicht nach Rezept, erinnerst du dich? Seine Lippen nähern sich meinen, flattern über ihnen und ziehen sich sofort zurück, hinterlassen eine weiche Bereitschaft, meine Hände liegen nachgiebig in seinen, warum zieht er es so sehr in die Länge, wir sind keine Kinder mehr, wir haben so oft geküsst und sind geküsst worden, und trotzdem kommt es mir plötzlich vor, als müsste es so sein, genau so, wir haben es unser Leben lang zu eilig gehabt, wir sind über die Lust hergefallen und haben sie mit

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