Späte Familie
ihm über den Weg gelaufen, um ihm zu sagen, was ich am eigenen Leib erfahren habe, und ich frage, und was ist jetzt, bist du jetzt bereit, ein Wochenendvater zu sein, ich habe dir schon gesagt, das ist ein Schmerz, der nicht aufhört. Er seufzt, ich weiÃ, aber ich habe keine Wahl, man muss akzeptieren, dass es unlösbare Situationen gibt, sie wird sich nicht ändern, die Situation wird sich nicht ändern, ich glaube, dass es letztlich auch für sie so besser ist, ich habe alles versucht, mehr geht nicht, auch wegen der Kinder wird es Zeit, die Sache zu einem klaren Ende zu bringen, ich werde mir eine Wohnung in der Nähe mieten und versuchen, sie jeden Tag zu sehen, beide Möglichkeiten sind schlimm, aber ich hoffe, dass dies die weniger schlimme ist.
Was ist mit Michal, erkundige ich mich, versucht sie nicht, dich zurückzugewinnen, und er sagt, klar versucht sie es, aber es gibt keine Chance mehr für uns, ich kann nicht, auch für sie ist das nicht gesund, ich glaube wirklich, dass die Trennung eine Therapie für sie sein wird, und ich wundere mich, wie kann die Trennung eine Therapie für sie sein, wenn sie dich liebt, sie wird völlig zusammenbrechen, die Ãrmste, und er sagt, manchmal, wenn das passiert, wovor du am meisten Angst hast, ist es eine Befreiung, ich habe viele solche Fälle gesehen. Es fällt mir schwer, das zu glauben, sage ich, wenn es passiert, befreit es dich noch lange nicht, in dem Moment, wo du merkst, dass es irreparabel ist, ändert sich alles, du stehst vor den Trümmern, und dann kommt die groÃe Angst. Und auf einmal erzähle ich ihm in allen Einzelheiten von jener Nacht, ein Freitagabend war es, nach den Feiertagen, in einzelnen Gärten standen noch Laubhütten, als ich zu Amnons Haus ging, fest entschlossen, ihn zurückzugewinnen, wie ich mich in dem Badezimmer vor meinem Sohn versteckt habe, wie ich durch die geschlossene Tür seine Stimme hörte und mich nicht zeigen durfte, wie ich Amnon sagen hörte, einfach eine Frau, die du nicht kennst, sie geht gleich wieder, wie ich mit letzter Kraft nach Hause ging, wie Gabi plötzlich auftauchte, wie ich bis zum Morgen mit ihm zusammen war, hier, auf diesem Sofa, wie wir uns gewunden haben wie Schlangen, die sich ineinander verbissen haben, und mir kommt es vor, dass die Erniedrigung, indem ich ihm davon erzähle, zu einer herrlichen, antiken Geschichte wird, das ist meine Heldentat, das sind meine Qualen, aber nicht umsonst habe ich gelitten, sondern für dich, zu deiner Abschreckung, wie eine Göttin fühle ich mich plötzlich, die sich für die Menschen aufopfert und sie durch ihr Blut befreit, sie durch ihre Wunden heilt, und er hört mir mit geschlossenen Augen zu,mit offenem Mund, nickt von Zeit zu Zeit, sein Gesicht ist konzentriert, als lauschte er entfernten Klängen. Bestimmt hört er auf diese Art seinen Patienten zu, versucht, den Sinn hinter all dem Gesprochenen herauszuhören, und ich gebe mich seiner Aufmerksamkeit hin, dem befreienden Gefühl ausgesprochener Worte, die, nachdem sie ausgesprochen sind, weggeschickt werden können, ich erzähle ihm von der Drohung meines Vaters, von meiner Liebe zu Gili, die etwas aus dem Lot geraten ist, und je länger ich spreche, umso klarer wird mir, dass es mir damit gelungen ist, seine Katastrophe zu verhindern und meine zu vergröÃern, ich führe ihm meinen und seinen, den ewigen Verlauf der Geschichte vor Augen, und trotzdem fahre ich damit fort, treu meinem Auftrag, dass ich nichts verhehlen darf. Er nickt weiter, auch als ich schweige, verwirrt von der Flut meiner Worte, als wäre ich eine alte Frau, die Passanten auf der StraÃe anhält und sie mit ihrer Lebensgeschichte belästigt, ein leichter Schauer ergreift mich, und mir scheint, als wäre der letzte Rest Wärme von der Heizung, die um Mitternacht ausgeht, schon verflogen, und da macht er seine Augen auf und betrachtet mich aufmerksam, so wie er die Bilder in dem alten Album betrachtet hat, ich habe von dir eine ganz andere Geschichte gehört, Ella, sagt er schlieÃlich, überlegen und ruhig, keine Geschichte von Erniedrigung und Armseligkeit, sondern eine glückliche Geschichte, voller Kraft, ich bin sicher, dass du um keinen Preis auf sie verzichtet hättest, und ich reiÃe die Augen auf und frage, sag, wie behandelst du die Leute eigentlich, wenn du nicht fähig bist, so einfache Dinge zu verstehen, das
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