Späte Familie
Last neben mir fallen, zwei Ranzen, ein Zauberhut, ein Zauberstab und ein Umhang, zwei Getränkeflaschen, und streckt sich in genau derselben Haltung wie vorhin wieder neben mir aus, und ich richte mich auf und danke ihr mit einem Lächeln, ihr seht euch überhaupt nicht ähnlich, stelle ich fest, und sie betrachtet ihren Sohn prüfend, nein, gibt sie zu, er sieht aus wie sein Vater, und ich strecke in meiner Fantasie die Glieder des Jungen und stelle enttäuscht einen knochigen Mann neben sie, sehr gerade, sehr ernst, und sie sagt, die Lehrerin lässt dir ausrichten, dass morgen Nachmittag ein gemeinsamer Empfang des Schabbat gefeiert wird, und ich höre unwillig zu, morgen, frage ich, aber warum, wozu soll das gut sein? Sie schaut mich erstaunt an, du weiÃt, wie das ist, der Anfang des Schuljahres, da wollen sie die Familien kennen lernen, das ist nicht so schlimm, und ich zische böse, das passt mir jetzt überhaupt nicht, ich habe nicht vor, hinzugehen.
Wegen deines FuÃes, fragt sie, und ich sage, nein, es ist nicht der FuÃ, und wieder warte ich, dass sie weiterfragt, und wieder schweigt sie, ihre Lippen saugen an der Zigarette, die sie sich ansteckt, für dich ist es vielleicht nicht schlimm, denke ich wütend, du nimmst deinen Mann und deinen Sohn und ihr geht hin, und dann kehrt ihr nach Hause zurück und esst zu Abend, aber mir wird übel bei dem Gedanken, neben Amnon zu sitzen und eine normale Familie zu spielen und mit scheinheiligen Leuten Schabbatlieder zu singen. Bis vor kurzem war das noch ganz natürlich, leicht wie das Atmen, und ich frage mich verwundert, vielleicht ist das nur der Anfang, vielleicht besteht jeder Tagim Leben geschiedener Menschen aus einer Abfolge von Hürden, jedes einfache Ereignis verheddert sich zwischen ihren Fingern. Amnon wird mit ihm hingehen, entscheide ich, schlieÃlich fällt mir das Laufen schwer, und ich strecke mich wieder neben ihr aus und schaue schweigend unseren Kindern zu, die wie kleine Hunde über die leeren Kanäle springen, Gilis Lachen wird von einem angenehmen Wind zu mir herübergeweht, es ist hell und voller Freude und verbreitet eine süÃe Ruhe in meinem Herzen. Warum bin ich so erschrocken, es wird keine Katastrophe geben, schlieÃlich lassen sich fast alle scheiden oder haben sich scheiden lassen oder werden es tun, vielleicht plant ja auch diese Frau, die hier neben dir liegt, in diesem Moment ihr neues Leben, lass dir von niemandem Angst einjagen, es geht ihm gut, er hat eine Mutter, er hat einen Vater, er hat einen Freund, er hat ein Eis, was braucht ein Junge mehr?
Sie springt wieder auf, ich muss los, sie sieht immer älter aus, je mehr Zeit vergeht, vor meinen Augen hat sie sich von einem jungen Mädchen in eine Frau verwandelt, erst habe ich mich gewundert, dass sie schon einen Sohn hat, und jetzt, da ihr die Sonne aufs Gesicht fällt, erschlafft ihre Haut, und ich wundere mich, dass ihr Sohn so jung ist. Jotam, wir müssen Maja vom Ballett abholen, ruft sie, ihre Stimme klingt verärgert, als hätte sie ihn schon ein paarmal gerufen, und Jotam schlendert missmutig zu uns herüber, aber Mama, es gefällt mir hier, und sie sagt, wir kommen ein andermal wieder her, los jetzt, Maja wartet auf uns.
Wir gehen jetzt auch, sage ich schnell, und sie dreht sich zu mir, kannst du überhaupt gehen? Sie streckt mir ihre bleiche Hand hin, unter ihrer Haut schlängeln sich bläuliche Adern wie Bachläufe, und ich erhebe mich schwerfällig, das Gehen ist plötzlich zu einem komplizierten Vorgang geworden, der Vorsicht und Voraussicht verlangt, und siebeobachtet gereizt meine Bewegungen, ich bringe euch heim, schlägt sie vor, wo wohnt ihr? Nicht weit von hier, sage ich und stütze mich auf dem Weg zum Auto auf ihren Arm, eine plötzliche Bürde für das Leben einer völlig fremden Familie.
Mama, ist Papa schon zu Hause?, höre ich Gili vom Rücksitz aus fragen, und während ich noch versuche, eine passende Antwort zu finden, kommt sie mir zuvor und antwortet, es war ihr Sohn, der gefragt hat, nicht meiner, sogar ihre Stimmen ähneln einander, noch nicht, er kommt am Abend, und zu meinem Erschrecken höre ich Gili flüstern, sag mal, schläft dein Papa bei euch zu Hause? Jotam ist erstaunt, ja, er wohnt doch da, auÃer wenn er beim Reservedienst ist oder im Ausland, und Gili fährt mit geheimnisvoller Stimme fort, mein Papa hat in der Nacht in
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