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Späte Familie

Späte Familie

Titel: Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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schließlich vor Dinas Haus und klopfe an die Tür, nass und zitternd vor Kälte.
    Sie stürzt sich auf mich, Ella, endlich, weißt du, wie viele Nachrichten ich dir hinterlassen habe? Hörst du die überhaupt ab? Diese Woche bin ich zweimal bei dir vorbeigegangen, warum machst du nicht auf? Und als sie mich von sich schiebt und mich betrachtet, stößt sie einen Schrei aus, als sähe sie ein Gespenst, Ella, schau dich an, du lieber Gott, und sofort rennt sie zum Telefon, jetzt mache ich für dich einen Termin bei meinem Bekannten, dem Psychiater, damit er dir Tabletten verschreibt, keine Widerrede, ich werde dich mit Gewalt zu ihm schleppen, wenn es sein muss, und ich höre sie durch die geschlossene Tür, wie laut sie spricht, vermutlich will sie ihn damit von der Dringlichkeit des Termins überzeugen, und als sie aus dem Zimmer kommt, winkt sie mir mit dem Autoschlüssel zu und zieht ihren Mantel an, wir gehen los, Ella, er ist bereit, dich sofort zu sehen, ich habe nicht vor, dich noch einmal entkommen zu lassen.
    Es ist egal, wohin ich gehe, Dina, einmal bin ich dahin gegangen, morgen gehe ich dorthin, ich habe diesen und jenen Arzt gesehen, ich habe diese und jene Arznei genommen, ich bin in nahe und ferne Länder gefahren, ich habe Hosenanzüge getragen oder Abendkleider, ich habe an Ausgrabungen teilgenommen und Aufsätze veröffentlicht, glaubst du, das wird mich jetzt retten, glaubst du, dass von all dem, was wir getan haben, von all dem, was wir erreicht haben, für das wir uns jahrelang geplagt haben, überhaupt etwas übrig bleibt, glaubst du, dass es irgendetwas auf der Welt gibt, was uns vor dem Stier retten kann, der im Innern der Erde tobt, komm mit mir nach Thera, ich werde dir zeigen, wie das Leben in einer einzigen Minute zu Stein geworden ist, wie die Treppenstufen entzweigebrochen sind, wie Schreiner und Schmiede mitten in der Bewegung ihr Werkzeug fallen ließen und es nie wieder aufhoben, in den Töpfen sind Essensreste zurückgeblieben, als sie aus ihren Häusern geflohen sind, sie haben nichts mitgenommen, und nicht weit von dort, auf Kreta, in dem Tempel, dessen Mauern eingestürzt sind, wirst du einen Altar sehen, auf dem ein Junge geopfert wurde, das Schwert in seiner Brust, ein letzter, verzweifelter Versuch, die Götter zu versöhnen, ich werde mit dir hinfahren und mit dir zurückkommen, aber meine eigene zerbrochene Insel wird kein Mensch betreten, auf ihren Ruinen wird nichts mehr errichtet, mein Leben wird mir niemand zurückgeben.
    Purpurfarbene Dünste hüllen das kleine Auto ein, mit dem ich selbst vor gar nicht langer Zeit gefahren bin, auf meiner dringenden Mission, mit einem Strohhut auf dem Kopf und einer törichten Hoffnung im Gesicht, der Winter ist dieses Jahr sehr früh dran, und nur ich weiß, wie lang er dauern wird, denn sieben Jahre lang wird die Sonne nicht auf Jerusalem scheinen. Dina fährt schweigend, sie bahntuns einen Weg durch die vollen Straßen, ihre Augen sind zusammengekniffen, ihr Gesicht trägt einen triumphierenden Ausdruck, als wäre es ihr gelungen, einen gefährlichen Verbrecher zu fangen, den sie dringend dem Gesetz übergeben müsste. Von Zeit zu Zeit wirft sie mir einen Blick zu, um sicherzugehen, dass ich nicht die Absicht habe zu fliehen, dass ich nicht den Sicherheitsgurt öffne und hinausspringe, wie lächerlich sie ist, versteht sie nicht, dass es für mich schon egal ist, wo ich bin, wen ich treffe, was man mir sagt, welche Medikamente ich schlucke.
    Als wir aus dem Auto steigen, nimmt sie mich am Arm, führt mich vorsichtig über die lärmende Straße, zwischen den Autos hindurch, die sich mit gedämpftem Brüllen gegenseitig die Zähne zeigen, sie sitzt neben mir im Wartezimmer, der Duft der blühenden Pflanzen ihrer Terrasse steigt aus ihren Haaren auf, die sich an den Spitzen kringeln, ihre Hand liegt nervös auf meiner Schulter, sie benimmt sich wie eine Mutter, die zum ersten Mal mit ihrer Tochter zu einem Frauenarzt geht. Verbirg nichts vor ihm, erzähle ihm genau, wie du dich fühlst, mahnt sie mich, ich kenne dich, du bist in der Lage, so zu tun, als wäre alles in Ordnung, versprich mir, dass du ihm nichts vormachst, das ist nicht zum Lachen, Ella, du brauchst unbedingt Hilfe, und ich nicke müde, sogar wenn ich die Absicht hätte, ihm etwas vorzumachen, würde ich es nicht können, auf der Wand gegenüber

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