Späte Heimkehr
dann … anders. Barney war wie ein Geschenk für mich. Sein Glück liegt mir mehr am Herzen als alles andere.«
»Mir auch«, sagte Abby unter Tränen.
»Dann nehmen Sie ihm das Kind nicht weg. Denken Sie gut darüber nach«, sagte sie und ging leise davon.
Abby blieb sitzen und starrte auf die flackernde Kerze, die Enid vor dem Altar entzündet hatte. Wollte Mrs. Holten ihr damit indirekt zu verstehen geben, sie solle das Kind Barney überlassen? Das konnte nicht sein. Abby ging eilig nach draußen und musste in der hellen Sonne blinzeln, als sie sich das Tuch vom Kopf zog. Erst als sie bereits die Hälfte des Rückwegs hinter sich gebracht hatte, begann sie sich allmählich zu beruhigen und sich Fragen zu stellen. Weshalb war Enid Holten überhaupt in der katholischen Kirche gewesen? Sie hatte ja nicht wissen können, dass Abby zufälligerweise ebenfalls dort sein würde. Und was hatte sie nur von ihr gewollt? Abby war ratlos. Sollte sie Barney davon erzählen? Sie entschied sich, es nicht zu tun.
Barney wartete bereits auf sie, als sie mit ihren Geschwistern aus dem Schulbus stieg.
Er hielt ihr die Tür auf, und sie stieg in den Wagen. Dann setzte er sich hinter das Steuer und fuhr einen Feldweg entlang. Neben einem Eukalyptusbaum hielt er an. Er drehte sich zu ihr um und gab ihr einen zärtlichen Kuss.
Sie schaute ihn traurig an. »Ich kann einfach nicht glauben, dass du in die Stadt gezogen bist. Was war denn los? Jetzt werden die Leute erst recht anfangen zu reden.«
»Es ging nicht anders. Der Bruch mit meinen Eltern ließ sich nicht vermeiden. Ich habe meine Wahl getroffen, Abby.«
»So weit hätte es nicht kommen müssen. Ich werde dich nicht heiraten … Das ist doch genau das, was ich verhindern wollte«, sagte Abby verzweifelt.
»Abby, ich liebe dich – und ich weiß nicht, wie ich es dir sonst beweisen soll. Ich sage dir, was ich vorhabe: Ich gehe in den Norden und suche mir dort Arbeit. Sobald ich etwas gefunden habe, sollst du nachkommen. Wir können ganz von vorn anfangen und uns unser eigenes Leben aufbauen. Ich schwöre dir, Abby, gemeinsam schaffen wir es. Das ist mein sehnlichster Wunsch«, sagte er heftig und klang dabei sehr entschlossen.
Abby war überwältigt, ihr kamen fast die Tränen. »So sehr liebst du mich also?«
»Aber ja. Ach, Abby!« Er schloss sie in seine Arme. Abby fühlte, wie sie weich wurde, wie ihre Entschlossenheit in der Sicherheit und Wärme seiner Arme dahinschmolz. Barney spürte es auch und wurde von einer Welle der Erleichterung übermannt. »Ich lasse dich nachkommen, sobald ich kann. Du wirst schon sehen, Abby, alles wird gut. Wir gehören zusammen, ganz egal, was passiert.«
Er küsste sie, und sie erwiderte seinen Kuss hingebungsvoll. Aber einen Moment später zog sie sich schon wieder zurück, wischte sich über die Augen und holte tief Luft. »Das geht alles so schnell, Barney. Wir lassen uns da zu etwas hinreißen … ich weiß nicht …«
Er brachte sie zum Schweigen, indem er ihr den Zeigefinger auf die Lippen legte. »Und wenn schon. Vielleicht geht das alles wirklich schnell, und vielleicht lassen wir uns hinreißen, aber doch nur, weil es keine andere Möglichkeit gibt. Nur so können wir zusammen sein, Abby. Und wir werden es niemals bereuen. Am Sonntag komme ich, um dir Lebewohl zu sagen.«
»Schon so bald?«
»Je schneller ich Arbeit und eine Unterkunft für uns finde, desto eher sind wir zusammen. Und jetzt fahre ich dich nach Hause.«
»Nein, ich gehe zu Fuß. Ich habe den ganzen Tag am Schreibtisch gesessen. Der Spaziergang wird mir gut tun.«
Er gab ihr wieder einen Kuss. In seinen Augen leuchteten Liebe und Hoffnung.
In Gedanken versunken, machte Abby sich auf den Heimweg. Sie hörte Pferdegetrappel, drehte sich um und hob die Hand, als sie Shannon erkannte, die auf sie zuritt.
»Hi«, sagte sie, stieg vom Pferd und ging neben Abby her. »Gut, dass wir uns treffen. Ich wollte mich sowieso mit Ihnen unterhalten.« Sie gingen langsamer, und Shannon holte tief Luft: »Ich habe gehört, dass Barney in die Stadt gezogen ist. Sehr schade.«
»Meine Idee war es nicht.«
»Nein, aber es ist ein ziemlich drastischer Schritt. Seine Eltern müssen vollkommen verzweifelt sein. Was ist passiert, Abby? Ich hätte nie geglaubt, dass es so weit kommen würde.«
Abby blieb stehen und musterte Shannon scharf. »Dass was so weit kommen würde?« Shannons vorwurfsvoller Ton gefiel ihr nicht.
»Na ja, es ist ja kein Geheimnis, dass er
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