Späte Heimkehr
kreisten ihre Gedanken vor allem um Barney. Allerdings dachte sie diesmal nicht mehr nur daran, wie sehr sie ihn liebte, sondern sie machte sich auch Sorgen um ihn. Die Tatsache, dass sie ihn so nahe wusste, machte es ihr nicht einfach. Sie wünschte, sie hätte mehr Selbstdisziplin, um ihn auf Abstand zu halten. Während sie daran dachte, wurde ihr klar, dass sie eines Tages mit dem Baby wegziehen müsste, um einen Neuanfang zu machen und es Barney zu ermöglichen, nach Amba zurückzukehren und das Leben zu führen, das ihm bestimmt war. Die Vorstellung, ihn verlassen zu müssen, machte sie sehr niedergeschlagen.
Plötzlich fand sie sich vor den Stufen ihrer Kirche wieder. Da die Tür offen stand, stieg sie langsam die Treppe hinauf und betrat das kühle und friedvolle Innere des Gotteshauses. Sie tauchte die Finger leicht in das Weihwasserbecken und bekreuzigte sich. Als sie einen Knicks in Richtung Altar machte, entdeckte sie, dass sie nicht allein war. Ganz in ihrer Nähe saß eine Dame mit elegantem Hut, die den Kopf gesenkt hielt.
Abby richtete ihr Kopftuch und schlüpfte in eine der hinteren Bankreihen. Sie war nicht mehr bei der Beichte gewesen, seit sie herausgefunden hatte, dass sie schwanger war. War es, weil sie sich schuldig fühlte und vermeiden wollte, dass Pfarrer O'Leary alles erfuhr, ihr Ratschläge gab und sie möglicherweise verurteilte? Obwohl Abby auch diesmal nicht zur Beichte ging, fühlte sie sich durch die Heiligkeit des Ortes getröstet und trotz ihres Fehltritts geliebt und angenommen. Sie ging davon aus, dass sie das Kind katholisch aufziehen würde, obwohl Barney Presbyterianer war, und fragte sich, ob sie die Angelegenheit vielleicht mit ihm besprechen sollte. Aber dann beschloss sie, dass die Entscheidung bei ihr lag, da sie schließlich auch die Verantwortung für das Kind trug.
Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie tief die Kluft war, die sie und Barney, trotz ihrer tief empfundenen Liebe, voneinander trennte. Bei diesem Gedanken wurde ihr erneut schwer ums Herz, und ihr stiegen die Tränen in die Augen. Das Leben ist so ungerecht, dachte sie, vergrub ihren Kopf in den Händen und versuchte zu beten.
Sie bemerkte nicht, dass die andere Frau zögernd den Gang entlangkam, neben ihr stehen blieb und sich dann zu ihr in die Bank setzte.
»Hallo, Abigail.«
Abby blickte fassungslos auf. »Mrs. Holten … Guten Tag … Ich hätte Sie hier …« Abby zögerte, und Mrs. Holten sprach ihren Satz zu Ende.
»… nicht erwartet?« Sie gab ihr keine Erklärung, aber es war offensichtlich, dass sie mit Abby sprechen wollte. »Da wir uns zufällig getroffen haben, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Ihnen zu sagen, dass Ihre Situation mir sehr nahe geht. Barney hat mir gesagt, wie sehr er Sie liebt.«
Abby war verblüfft. »Vielen Dank, Mrs. Holten. Von Ihnen oder Ihrem Mann hätte ich nun wirklich kein Mitgefühl erwartet.«
»Phillip ist ein sehr stolzer Mann, der auf bestimmte Dinge großen Wert legt. Er hat eine ganz konkrete Vorstellung davon, wie man sein Leben zu leben hat. Aber wissen Sie, Abby … manchmal sind die Dinge nicht so, wie sie scheinen. Manchmal gibt es einen Ausweg … durch Schwierigkeiten.« Enid sprach atemlos und schnell, als hätte sie nur ein paar Minuten Zeit, um eine geheime Botschaft zu übermitteln. »Man muss nur den Sprung wagen oder vielleicht einen Kompromiss eingehen. Aber wenn man die Weggabelung erreicht, hat man nur eine Chance, sich zu entscheiden, in welche Richtung man gehen will. Ich kann Ihnen und Barney keinen Rat geben. Ich möchte nicht, dass mein Mann leidet, aber genauso wenig möchte ich, dass meinem Sohn die Chance genommen wird, sein Glück zu finden. Denken Sie bitte gut darüber nach, welche Entscheidung Sie treffen …«
»Ich werde mein Kind nicht weggeben, Mrs. Holten«, erklärte Abby entschlossen.
»Davon habe ich nicht gesprochen. Ich sprach von Ihnen und Barney. Über Unterschiede kann man hinwegsehen, sie ignorieren … es gibt Menschen, die das tun.«
»Welche Unterschiede meinen Sie? Sprechen Sie über Religion, Rang und Stellung? Da gibt es in unserer Gesellschaft tatsächlich große Unterschiede«, sagte Abby und klang ein klein wenig verbittert.
Enid Holten erhob sich und berührte Abby kurz an der Schulter. »Bitte sagen Sie Barney nichts von unserem Gespräch. In meiner Generation widersetzt man sich seinem Ehemann nicht, aber wenn ich mein Leben noch einmal vor mir hätte … vielleicht wäre es
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