Späte Heimkehr
unbekannten Besucher erblickte, zögerte sie. Doch dann stellte sie zu ihrer großen Verblüffung fest, dass die Tiere sich nicht wie gewöhnlich feindselig kläffend vor dem Fremden aufbauten, sondern ihn winselnd mit wedelnden Schwänzchen begrüßten, ihm mit rosa Zünglein über die Stiefel leckten und an ihm hochsprangen, um gestreichelt zu werden. Mr. Richards beugte sich lächelnd hinunter und kraulte die Hunde, die sich begeistert an ihn drängten, zwischen den Ohren.
Enid trat näher. »Also, ich muss schon sagen. Meine Hunde haben bisher noch niemanden so herzlich begrüßt, und erst recht keinen Fremden.«
»Aber sie kennen mich doch. Sie jetzt nicht auch?« Er richtete sich zu voller Größe auf und zog den Hut vom Kopf, unter dem seine dichte graumelierte Lockenpracht zum Vorschein kam, die zu seinem Vollbart passte.
»Mein Name ist Richards. Man hat mir gesagt, dass ich hier womöglich für einige Zeit Arbeit finde.« Er lächelte, und Enid, die Unbekannten gegenüber normalerweise sehr zurückhaltend war, lächelte freundlich zurück.
»Nun, da müssen Sie sich natürlich mit meinem Mann besprechen. Ich bin Enid Holten. Mein Mann müsste im Scherschuppen sein«, erklärte sie und wollte sich wieder ihrer Gartenarbeit zuwenden.
»Kann ich Ihnen dabei vielleicht behilflich sein?«, bot Mr. Richards an. »Einige der Stängel sind ziemlich dick und nicht leicht zu schneiden.«
»Das ist aber nett von Ihnen. Ich hatte mit diesem Rosenstrauch hier tatsächlich gerade meine Schwierigkeiten«, sagte sie und reichte ihm die Gartenschere. Mit einem geschulten Handgriff kappte er den Zweig genau an der richtigen Stelle und im richtigen Winkel.
»Bevor etwas Neues wachsen und gedeihen kann, muss immer erst das abgestorbene Holz entfernt werden.« Er tippte sich höflich an den Hut, schritt in Richtung Scherschuppen davon und ließ eine verwirrte Enid zurück, die sich fragte, ob er die Rosen gemeint hatte oder das Leben im Allgemeinen.
Phillip Holtens übliche Skepsis gegenüber Wanderarbeitern hielt sich bei Mr. Richards in Grenzen. Er wusste, er brauchte lediglich die Pembertons anzurufen, um Erkundigungen über ihn einzuziehen, und da Barney nicht mehr da war, konnte er zwei zusätzliche Hände gut gebrauchen. Der Mann sah außerdem aus, als könne er zupacken. Sie wurden sich schnell einig, und Mr. Richards bot ihm an, sofort zu beginnen.
Nach getaner Arbeit ging er noch einmal am Haus vorbei, um sich bei Mrs. Holten für das Mittagessen zu bedanken, das sie ihm im Schuppen hatte vorbeibringen lassen. Sie saß mit geschlossenen Augen in ihrem geliebten Schaukelstuhl auf der Veranda. Als sie aufblickte, stand er lächelnd vor ihr auf der Treppe, den Hut in der Hand. Sie wusste nicht, wie lange er dort gestanden hatte.
»Genau die richtige Tageszeit, um in Ruhe etwas nachzudenken, nicht wahr?«, sagte er leise.
»Da haben Sie Recht«, erwiderte Enid, die durch sein unerwartetes Auftauchen etwas verunsichert war, sich aber gleichzeitig freute, dass er mit ihr sprach. »Haben Sie Familie, Mr. Richards?«, fragte sie.
»Ja, doch. Ich habe so etwas wie eine Familie. Eines der schönsten Geschenke auf Erden, finden Sie nicht … eine Familie zu haben, meine ich.«
Enid wurde plötzlich etwas nervös, hatte sich aber schnell wieder im Griff.
»Ganz recht. Aber manche Menschen gehen auch leer aus. Es ist …«, Enid zögerte und suchte nach Worten, »… als würde man das Geschenk auspacken und dann feststellen, dass in der Schachtel nichts drin ist. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Aber ja«, versicherte er ihr lächelnd. »So als sei es unterwegs verloren gegangen.«
»Genau«, sagte Enid glücklich. »Genau das habe ich gemeint, Mr. Richards.«
»Tja, ich muss mich auf den Weg machen, Mrs. Holten. Danke für das Mittagessen. Vielleicht sehen wir uns morgen.«
Er wandte sich ab und wollte gerade auf seinen Truck zugehen, als Enid fragte: »Was glauben Sie, was … da unterwegs verloren gegangen ist?«
Der hochgewachsene Mann drehte sich langsam um, seine Silhouette stand schwarz gegen die Strahlen der untergehenden Sonne. Nach einer Weile sagte er: »Die Liebe, Mrs. Holten. Die Liebe ist das einzig Wahre.«
Enid dachte immer noch über seine Antwort nach, als die Staubwolke, die sein Wagen hinter sich herzog, bereits hinter der Hügelkuppe verschwunden war. Sie verließ die Veranda und schlenderte von ihren zwei kleinen Hunden flankiert als einsame Gestalt durch den allmählich
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