Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
ändert, sondern entlarvt«. Erfolgsmenschen wollen bestimmen und gestalten. Sie sind von sich überzeugt, und mit jedem neuen Erfolg wächst die Gefahr des Höhenrausches.
Mit Erfolg kann Josef Ackermann ganz gut umgehen, er lässt ihn, ungeachtet gelegentlicher Versuchungen und Ausrutscher, nie wirklich abheben. Davor bewahren ihn zum einen sein extremer Ehrgeiz, der ihn nie auch mit sich selbst zufrieden sein lässt, zum anderen Familie und Freunde.
Aber was ist mit dem Misserfolg? Wenn der Satz von Frisch auch dafür gilt, dann hat der große Bruch in Josef Ackermanns (Berufs-)Leben, die Anklage im Mannesmann-Prozess, eine andere Seite an ihm »entlarvt«.
Durch das Untreue-Verfahren in Düsseldorf kommt hinter dem erfolgsverwöhnten und selbstgewissen Überflieger ein fehlbarer und verletzlicher Mensch zum Vorschein. Erstmals im Leben beginnt er ernsthaft zu zweifeln und sich zu hinterfragen. »Im Mannesmann-Prozess«, gesteht er mir einmal, »hat mich nichts so getroffen wie der Vorwurf, unmoralisch gehandelt zu haben«.
Für Josef Ackermann sind seine Eltern, »sehr religiöse Menschen«, wie er selbst sagt, zeitlebens die letzte moralische Instanz. Wenn der Werte-Kompass, den sie ihm mitgegeben hatten, nicht mehr funktioniert, sorgen sie für Abhilfe. Bei Maybrit Illner im ZDF erzählt der Deutsche-Bank-Chef, wie ihn an dem Tag, an dem er im Düsseldorfer Landgericht das Victory-Zeichen gemacht und im ganzen Lande einen Entrüstungssturm ausgelöst hatte, abends seine Mutter anrief und sagte: »Junge, was hast du da gemacht? Das war nicht richtig.« Erst da, so der Deutsche-Bank-Chef, habe er verstanden, was er angerichtet hatte.
Der Leistungsbereitschaft und -kraft ihres Ältesten konnten seine Eltern immer sicher sein. Vater Ackermann, dessen Todesanzeige das Schiller-Zitat zierte: »Der brave Mensch denkt an sich selbst zuletzt«, macht sich aber schon früh Gedanken darüber, diese auch in die richtigen Bahnen zu lenken: Er gibt Josef als Lebensmaxime mit auf den Weg, seine Schaffenskraft in den Dienst anderer Menschen zu stellen. Dem 10 -jährigen »Seppi« steckt er einen Zettel mit einem Vierzeiler des deutschen Dichters und Goethe-Zeitgenossen Christoph Martin Wieland zu:
»In andrer Glück sein eignes finden,
Ist dieses Lebens Seligkeit.
Und andrer Menschen Wohlfahrt gründen,
Schafft göttliche Zufriedenheit.«
Den Zettel hat Josef Ackermann bis heute aufbewahrt. Im Verlauf der Finanzkrise reift in ihm immer mehr die schmerzliche Gewissheit, dass er die väterliche Handlungsmaxime zwar stets in der Tasche, aber nicht immer im Herzen getragen hatte. Ein bisschen ist es ihm dann doch ergangen wie Heidi: In der Ferne war er ein Stück weit entwurzelt worden. Beim Wettlauf um Gewinn und Erfolg fern der Heimat waren Glück und Wohlfahrt anderer Menschen zunehmend aus dem Blickfeld geraten.
Die Finanzkrise ruft ihm den Werte-Kompass, den sein Elternhaus ihm einst fürs Leben mitgegeben hat, wieder ins Bewusstsein. Er fängt an umzudenken. »Die große Metamorphose«, wie die Welt am Sonntag die Wandlung des Bankers einmal genannt hat, beginnt.
Genau genommen ist es eine Retromorphose. Wie Gestein im Verlaufe neuer gebirgsbildender Vorgänge durch andere Druck- und Temperaturverhältnisse wieder in einen niedrigeren Metamorphosezustand zurückversetzt wird, so bringt das wirtschaftliche Erdbeben, das die Finanzkrise darstellt, Josef Ackermann wieder näher zurück an seine Ursprünge.
Kapitel 5
Erkenntnis und Interesse
Nach der Rettung der IKB Anfang August 2007 kann, so scheint es zunächst, wieder die übliche Sommerruhe einkehren. Der Himmel ist blau, die Weltwirtschaft brummt, der amerikanische Finanzminister Henry Paulson sieht sie in der »besten Verfassung seit Jahrzehnten«. Und Josef Ackermann hat für das zweite Quartal gerade das zweite Rekordergebnis des Jahres verkündet: 1 , 8 Milliarden Euro netto, ein Plus von über 30 Prozent gegenüber 2006 und eine Eigenkapitalrendite von 36 Prozent.
Die Ratingagentur Standard & Poor’s belohnt die Frankfurter mit einer besseren Bonitätsnote, statt AA - geht es hoch auf AA . Doch Josef Ackermann macht sich Sorgen. In jenen Tagen spüre ich zum ersten Mal eine gewisse Unruhe an dem immer so unerschütterlich anmutenden Mann. Das zweite Quartal ist für ihn längst passé, das glänzende Ergebnis die Ernte der Schönwetterperiode von gestern. Inzwischen hat sich das Klima auf den Finanzmärkten deutlich verschlechtert.
Nicht nur, dass die
Weitere Kostenlose Bücher