Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Exchange an der Wall Street, zwischendurch geht es zu Verwandten nach Atlanta und zum Schluss zu den Watergate-Hearings auf dem Kapitol in Washington, D. C.
So frei und unbeschwert wie damals hat Josef Ackermann sich noch nie in seinem Leben gefühlt – und wird es auch danach nie mehr tun. Als er vier Jahrzehnte später, gegen Ende seiner Amtszeit an der Spitze der Deutschen Bank, gefragt wird, was er sich für die Zukunft vorgenommen habe, sagt er: »Mit dem Cabrio noch einmal kreuz und quer durch die USA fahren«.
An der Uni hat Josef Ackermann neben dem Militär ein zweites, internationales Netzwerk geknüpft. Zu ihm gehören etwa Michael Hilti, Chef des gleichnamigen Werkzeugherstellers in Liechtenstein, der Zürcher Headhunter Björn Johannson oder der Hamburger Speditionsunternehmer Thomas Hoyer.
Zwei Menschen, denen er in St. Gallen begegnet, werden für ihn besonders wichtig. Der eine ist Hans Christoph Binswanger. Der Professor für Geldtheorie – in der Öffentlichkeit mehr für seine Studien zum Zusammenhang von Wirtschaft und Umwelt, den Bestseller »Wege aus der Wohlstandsfalle« und sein frühes Plädoyer für eine Ökosteuer bekannt – beeindruckt den Studenten mit seiner umfassenden Bildung. Nach seiner Rückkehr aus Amerika tritt Josef Ackermann 1973 bei ihm eine Stelle als Assistent und Lehrbeauftragter an und macht sich an seine Doktorarbeit, eine theoretische Analyse über den »Einfluss des Geldes auf das reale Wirtschaftsgeschehen«.
Die Arbeit (Note 1 , 25 ) diskutiert die damals vorliegenden geldtheoretischen Ansätze und besonders den jüngsten Beitrag der Monetaristen um Milton Friedman. Ackermann schließt sich dieser Lehre jedoch nicht an. Je mehr er über sein Jugendidol Kennedy gelesen hatte, desto enttäuschter ist er über die Schwächen des einst strahlenden Helden. Fortan kennt er keine Vorbilder mehr. Er wird in seinem Leben nie mehr etwas anderes sein als er selbst.
Der berühmte Professor Binswanger hätte den Musterstudenten gerne für eine Habilitation und ganz für die Wissenschaft gewonnen, aber das vermag dessen Ehrgeiz nicht zu befriedigen. Nach fast einem Jahrzehnt Theorie will er sich nun in der Praxis mit der Elite des Landes messen, seinen Führungswillen ausleben, an die Schalthebel der Macht. Denn Josef Ackermann ist ein Machtmensch.
Er selbst würde das nie so ausdrücken. Er wollte »entscheiden, etwas bewegen«, nennt er heute als Motiv dafür, dass er nach seiner Dissertation 1977 die Welt der Wirtschaft der Forschung und Lehre vorgezogen hat. Und, nicht zu vergessen: Er will Geld verdienen. Denn Josef Ackermann plant, mit einer ehemaligen Studentin, die er als Assistent kennengelernt hat, eine Familie zu gründen: Pirkko Mölsä aus der Kleinstadt Pieksämäki in Süd-Finnland.
In seiner Dissertation hatte er »Frl. P. Mölsä, lic. oec.« gleich nach der Widmung für seine Eltern dafür gedankt, dass sie das »schlecht leserliche Manuskript in eine druckreife Form brachte«. Noch im selben Jahr heiraten sie. Und er nimmt eine Stelle bei der Schweizerischen Kreditanstalt ( SKA ) an, der heutigen Credit Suisse ( CS ). Dort steigt er in Rekordzeit zum Präsidenten der Generaldirektion auf, in Deutschland dem Vorstandsvorsitzenden vergleichbar.
Pirkko und Josef teilen dieselben Werte und verstehen sich nahezu blind. Weil die Einsatzorte ihres Mannes bei der SKA ständig wechseln: Zürich, New York, dann wieder Zürich, dann Lausanne, dann London und wieder Zürich, stellt die diplomierte Ökonomin ihre eigenen beruflichen Ambitionen schließlich hintan. Hinzu kommt, dass 1984 mit der Geburt der Tochter Catherine aus dem Paar eine Familie geworden ist.
Catherine, die ein Schauspiel- und Filmproduktionsstudium absolviert hat, erweist sich ihrem Vater als in vielem ähnlich. Ganz sicher in punkto Ehrgeiz und Leistungsbereitschaft. Eines Tages will sie in Hollywood einen Oscar gewinnen. Beide haben ein inniges Verhältnis zueinander.
Nach der Geburt der Tochter kümmert sich Pirkko Ackermann um das Kind und hält ihrem Mann den Rücken für seine Karriere frei. Dabei ist sie für ihn auch ein wertvolles Korrektiv: Wenn der große Bankchef einmal abzuheben droht, weiß die bodenständige Finnin ihn schnell wieder zu erden. Erfolgsmenschen brauchen mindestens einen Menschen ihres Vertrauens, der ihnen den Spiegel vorhält. Niemand kann dies besser als die eigene Frau.
Von dem Schriftsteller Max Frisch stammt der Satz, dass der Erfolg den Menschen »nicht
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