Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Raiffeisenbanken sowie DZ Bank und Förderbanken. Von dem 15 -Milliarden-Liquiditätskredit stellt die Deutsche Bank allein ein Drittel.
Doch schon wenige Stunden später ist alles wieder Makulatur: Wegen der wackeligen Zahlenbasis und großen Eilbedürftigkeit hatte Bundesbankchef Weber Ackermann bereits Anfang der Woche gebeten, die Liquiditätslage der HRE in München und Dublin durch seine Leute noch einmal von innen genau zu überprüfen. Zum Entsetzen aller Beteiligten stellen sich die Angaben der Münchner, die als Grundlage für die Rettungsaktion gedient hatten, als viel zu positiv heraus. Neben der Herabstufung durch die Ratingagenturen macht die HRE dafür auch die Aussage des Finanzministers verantwortlich, die Bank werde abgewickelt. Danach habe sich die Liquiditätslage noch einmal erheblich verschlechtert, da bei Abwicklung Liquidationswerte bilanziert werden müssen.
Steinbrück keilt zurück, die Bank kenne ihre eigenen Zahlen nicht. Später wirft die BaFin der HRE sogar vor, diese geschönt zu haben. Am Samstagmorgen, dem 4 . Oktober, kommt aus München jedenfalls die Hiobsbotschaft: »Das letzte Woche zugesagte und angekündigte Rettungspaket ist derzeit nicht länger gültig.«
Zu dem Zeitpunkt hatte bei der BaFin in Frankfurt bereits eine neue Krisensitzung zu einem neuen Rettungspaket stattgefunden. Die Verhandlungen werden am Sonntag im Finanzministerium in Berlin fortgesetzt. Eine Stunde vor Mitternacht steht das Ergebnis: Die Regierung stockt ihre Hilfe nicht auf, es bleibt bei der Ausfallgarantie von 35 Milliarden Euro. Die EZB hält an ihrer Liquiditätszusage von 20 Milliarden Euro fest, akzeptiert allerdings neue Sicherheiten der HRE , die bisher nicht für Notenbankgeschäfte zugelassen waren. Die Finanzwirtschaft muss ihren Liquiditätskredit verdoppeln. Weil eine Bank nicht voll mitziehen will oder kann, fehlen am Ende zwei Milliarden Euro. Bundesbankpräsident Weber kommt um den Tisch und fragt Ackermann, ob die Deutsche Bank sie übernehmen könne. Der Deutsche-Bank-Chef sagt spontan zu. Sein Haus bringt damit allein zwölf von den jetzt 30 Milliarden Euro auf. Der Zusammenbruch der HRE ist nun endgültig abgewendet.
Mehr noch als bei der IKB war Josef Ackermanns Engagement entscheidend für den positiven Ausgang. »Ohne den Beitrag der Deutschen Bank wäre das Ganze nicht über die Bühne gegangen«, so der Schweizer.
Als bald darauf HRE -Vorstandschef Funke seinen Hut nehmen muss, gibt Ackermann auch noch Axel Wieandt, den Leiter seiner Konzernentwicklung, für die Spitzenposition in München ab. »Die Deutsche Bank spielte bei den Rettungsverhandlungen die zentrale Rolle«, sagt auch Gerhard Schick, Obmann der Grünen im Finanzausschuss und Mitglied des HRE -Untersuchungsausschusses. Nicht allerdings ohne gleich zu fragen: »Welche Eigeninteressen hatte die Bank?«
Zu dem Zeitpunkt war der Umfang der finanziellen Unterstützung für die HRE bereits auf über 100 Milliarden angeschwollen. Das Münchner Geldhaus war als erstes Institut seit 1945 verstaatlicht, in Deutsche Pfandbriefbank umbenannt und der marode Teil des Vermögens in eine riesige Abwicklungsanstalt namens FMS Wertmanagement ausgegliedert worden.
Selbstverständlich hat der Deutsche-Bank-Chef bei der Rettung der HRE nicht aus Nächstenliebe gehandelt. Sein Haus war bei dem angeschlagenen Institut zwar »nur« mit einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag direkt engagiert. »Wir hätten auch sagen können, dass uns das Schicksal der HRE nicht so wichtig ist«, so Ackermann vor dem Untersuchungsausschuss, »aber natürlich wäre das sehr kurzfristig und egoistisch gewesen.« Indirekt hätten eine Pleite des Instituts, eine Kernschmelze des Finanzsystems und der damit verbundene Verlust an wirtschaftlichem Wachstum und Wohlstand auch gravierende Auswirkungen auf das Ergebnis der Deutschen Bank gehabt. Das schmälert deren Hilfe jedoch nicht im Geringsten.
Wie wichtig sie war, unterstreicht eine weitere dramatische Rettungsaktion, die ebenfalls an diesem ersten Sonntag im Oktober 2008 erforderlich wird. Nachdem die Regierung in Berlin nur gut eine Woche zuvor noch so getan hatte, als könnte das eigene Land von den Finanzproblemen in den USA weitgehend verschont bleiben, müssen Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück nachmittags zur Kaffeestunde gemeinsam vor die Fernsehkameras treten und die kompletten Spar- und Termineinlagen sowie Guthaben auf Girokonten im Lande garantieren. »Wir sagen den
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