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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Baron
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er bleibt.
    Versammlungsleiter Börsig dagegen muss sich zum Teil heftige Attacken und Rücktrittsforderungen gefallen lassen. Zu Beginn der Versammlung hatte Präsidiumsmitglied Todenhöfer ihn noch einmal verteidigt und Folgendes verkündet: Der Aufsichtsrat habe es als seine Aufgabe angesehen, in der Nachfolgefrage »alle Alternativen zu bedenken, bis hin zu der Notwendigkeit, Dr. Börsig in die Pflicht zu nehmen«.
    Auch Ackermann springt dem angeschlagenen Oberkontrolleur auf die Frage eines Aktionärs hin schließlich zur Seite und erklärt, er sehe »keinen Grund« für dessen Rücktritt, die Zusammenarbeit mit ihm funktioniere »sehr gut«, er freue sich auf die Fortsetzung. Eingangs hatten sich beide vor aller Augen freundlich begrüßt und Börsig hatte gesagt, er freue sich »persönlich sehr, dass Dr. Ackermann bereit ist, die Bank weiter zu führen«. Nach dessen vielbeklatschter Rede merkt er schließlich noch an: »Der Applaus spricht für sich.« Feindschaft sieht anders aus.
    Wenige Tage vor der Hauptversammlung war die Ausforschungsaktion, die als »Spitzelaffäre« bekannt werden sollte, bekanntgegeben worden. Die Bank habe bereits die Anwaltskanzlei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton mit einer unabhängigen Untersuchung beauftragt und auch die BaFin eingeschaltet, die ihrerseits eine Sonderprüfung durchführe.
    Die über 5000 Aktionäre in der Frankfurter Festhalle wissen zu dem Zeitpunkt allerdings noch nichts von der Rolle des Versammlungsleiters Börsig und dass einer aus ihren Reihen Objekt der Ausforschung war – der notorische Hauptversammlungs-Opponent Michael Bohndorf. Dieser hatte, obwohl ebenfalls noch ahnungslos, gleich zu Beginn der Aussprache wieder einmal beantragt, Börsig als Versammlungsleiter abzuwählen, und war dafür von einem anderen Aktionär verdächtigt worden, Leo Kirch habe ihn für die »Posse« bezahlt.
    Das Kirch-Lager drangsaliert seit der Pleite des Medienimperiums, für die es ein Interview des ehemaligen Vorstandssprechers Breuer aus dem Jahr 2001 verantwortlich macht, die Bank mit allen juristischen und publizistischen Mitteln. Herauszufinden, ob Bohndorf damit in Verbindung steht, war das Ziel der Nachforschungen.
    Auf der Hauptversammlung erklärt Josef Ackermann die Angelegenheit zur Chefsache. Er habe »persönlich alle Schritte für eine rückhaltlose Aufklärung eingeleitet« und sich »an die Spitze dieser Aufklärung gesetzt«. Dabei lasse er sich von dem »Prinzip der ›Null Toleranz‹ bezüglich Vergehen und Verfehlungen« leiten. Dies sei Teil der Unternehmenskultur der Bank. »Die Prüfung«, so der Schweizer unter dem Beifall der Aktionäre, »umfasst auch die Verantwortung der Organe der Bank.«
    Josef Ackermann will die Bank nicht nur strategisch neu aufstellen – weniger abhängig vom Investmentbanking und mit weniger Risiko. Er will darüber hinaus einen Kultur- und Bewusstseinswandel in die Wege leiten, der in allen Bereichen seines Hauses ein Handeln gewährleistet, das nicht nur wirtschaftlichen Erfolg verspricht, sondern sich auch ethisch-moralisch begründen lässt. Sein Umgang mit der sogenannten Spitzelaffäre ist dafür beispielgebend.

Kapitel 9
Spitzel und Streubomben
    Am Samstag, dem 4 . April 2008 , trifft sich die »Initiative für Deutschland« (IfD), ein diskreter Zirkel von Chefs führender Unternehmen des Landes, zu einem seiner vertraulichen Kolloquien. Ort des elitären Treffens ist diesmal die Firmenzentrale des mittelständischen Maschinenbauers Trumpf im schwäbischen Ditzingen, Gastgeber dessen Patriarch Berthold Leibinger.
    Wenige Wochen zuvor war der langjährige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post, Klaus Zumwinkel, wegen des Vorwurfs schwerer Steuerhinterziehung vor den Augen der Fernsehkameras in seiner Villa in Köln-Marienburg festgenommen worden. Die Finanzkrise spitzt sich immer weiter zu. Unter dem Vorsitz des damaligen BASF -Chefkontrolleurs, Jürgen Strube, diskutieren die Teilnehmer des Treffens den gefährlichen Ansehensverlust der ökonomischen Führungseliten und mit ihnen des gesamten Wirtschaftssystems.
    Im Laufe des Gesprächs bringt Josef Ackermann einen Arbeitskreis ins Spiel, der Vorschläge dafür ausarbeiten solle, wie der vornehmlich moralisch begründeten Kritik an Unternehmensführern im öffentlichen Diskurs besser begegnet und das Vertrauen in die Soziale Marktwirtschaft und ihre Repräsentanten wieder gestärkt werden könne. Die Anregung wird dankbar aufgenommen, und schon bald trifft

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