Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Vorstandsvorsitzenden um drei weitere Jahre, bis zur Hauptversammlung 2013 , zu verlängern. Auf einer kurzfristig für den nächsten Tag anberaumten Pressekonferenz, bei der er ursprünglich seinen nahe bevorstehenden Abschied bekanntgeben wollte, verkündet Ackermann nun: »Ich sehe mich in der Pflicht und stelle meine persönlichen Interessen zurück.« Medien und Märkte begrüßen nahezu einhellig, dass der Schweizer länger bleibt.
Über der Personalie geht das gute Ergebnis der Bank im ersten Quartal fast unter. Mit einem Gewinn von 1 , 8 Milliarden vor Steuern übertrifft es deutlich die Erwartungen der Experten. Dank reger Ausgabe von Unternehmensanleihen zeigt sich gerade das Investmentbanking mit einem Ergebnisbeitrag von 1 , 3 Milliarden Euro gut erholt. Dazu kommen erstmals seit langem statt Abschreibungen Höherbewertungen und eine bessere Zinsmarge. So schafft die Bank erstmals seit Ausbruch der Krise wieder 25 Prozent Eigenkapitalrendite brutto.
Zur Hauptversammlung Ende Mai 2009 aufzuhören wäre für den Banker Josef Ackermann wohl auch deshalb der optimale Zeitpunkt gewesen. Ein Abgang damals hätte ihm vor allem das hässliche Gezerre um die Nachfolge einige Jahre später erspart. Was aber seinerzeit noch nicht erkennbar war: In der bald ausbrechenden europäischen Staatsschuldenkrise hätte der Schweizer der Bank, und nicht nur ihr, gefehlt.
Nach der Vertragsverlängerung dominiert Ackermann die Bühne jedenfalls noch mehr als zuvor. Beim üblichen Briefing der leitenden Mitarbeiter zum Quartalsergebnis empfangen ihn diese stehend mit langem Beifall. Aufsichtsratschef Börsig dagegen sieht sich mit Stimmen konfrontiert, die seinen Rücktritt fordern. Das Kontrollgremium fühlt sich veranlasst, eine Ehrenerklärung für ihren Anführer abzugeben: »Der Aufsichtsrat der Deutschen Bank AG hat unverändert volles Vertrauen in seinen Vorsitzenden Dr. Clemens Börsig und steht einhellig hinter ihm.«
Die Spekulationen über die überraschenden Ereignisse an der Spitze der Bank vermag dies jedoch nicht zu stoppen. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung munkelt von einem Putschversuch des Aufsichtsrats- gegen den Vorstandsvorsitzenden und einen Gegenputsch desselben. »Aus dem Aufsichtsrat« sei zu hören, so das Blatt, Ackermann habe den Putschversuch selbst »provoziert«. Immer wieder sei er für internationale Spitzenjobs gehandelt worden, nie habe er »sich eindeutig zur Erfüllung seines Vertrags in Frankfurt bekannt«. Als Ackermann von Börsigs Umsturzvorbereitungen Wind bekommen habe, sei er seinerseits aktiv geworden und habe den Aufsichtsratschef »ausgebremst«. Sein »Coup« sei »aktiv vorbereitet« gewesen.
Den Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden wird weithin ein gespanntes Verhältnis zueinander unterstellt, seit Börsig nach seinem Wechsel vom Posten des Finanzchefs an die Spitze des Aufsichtsrats in einem Interview mit der Welt am Sonntag gesagt hatte: »Herr Ackermann kommt heute meist zu mir ins Büro, während früher ich ihn aufsuchte.« Viele hatten dies als bewusste Provokation gegenüber dem Mann aufgefasst, der bis vor kurzem noch sein Vorgesetzter war.
Die beiden Männer an der Spitze von Deutschlands größter Bank waren gewiss nie Freunde, dafür sind sie zu verschieden. Aber die Realität ist meist viel langweiliger als Machiavelli. Die angeblich »konspirativen Treffen« mit anderen Aufsichtsratsmitgliedern im Münchner Privathaus des Oberkontrolleurs, von denen manche Medien berichten, hatten nicht der Vorbereitung eines Putsches gedient. Nach der kurzfristigen Ankündigung Ackermanns, schon im Mai gehen zu wollen, mussten sich die Kapitalvertreter rasch und diskret auf einen Nachfolger einigen.
Bei der Hauptversammlung der Bank am 27 . Mai 2009 feiern die Aktionäre den Vorstandsvorsitzenden, obwohl er dort über den größten Verlust in der Geschichte des Hauses Rechenschaft ablegen muss. Sie feiern ihn für das gute jüngste Quartalsergebnis. Dafür, dass er das Institut für die Zukunft stabiler aufgestellt hat. Dafür, dass er sich demütig zeigt und einräumt: »Wir Banken haben Fehler gemacht, teilweise sogar schwere. Da schließe ich die Deutsche Bank ausdrücklich mit ein.« Die Bilanzsumme sei zu groß gewesen, vor allem die Bestände im Handelsbuch und die Kredite für Unternehmensübernahmen. Josef Ackermann bekommt Beifall dafür, dass er kein Staatsgeld nehmen will und weiter 25 Prozent Eigenkapitalrendite anstrebt. Und vor allem dafür, dass
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