Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Pass »den Weg dahin ebnen, eines Tages im Alleingang dieser schwierigen Aufgabe gewachsen zu sein«.
Eine Reihe von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat empfindet den Artikel offenbar als Versuch, sie vor vollendete Tatsachen zu stellen, und ist erbost. Bald darauf meldet Spiegel Online , neun der zehn Arbeitnehmervertreter hätten sich dafür ausgesprochen, dass Ackermann Börsig ablösen solle. Sie wünschten ein starkes Gegengewicht gegen den nach Webers Absage als Ackermann-Nachfolger gesetzten Investmentbanker Jain und das angelsächsische Element in der Bank. Mit dem Übergangskandidaten Fitschen als Co-Chef hielten sie dies nicht für ausreichend gewährleistet.
Marlehn Thieme, die Vertreterin der Leitenden Angestellten im Aufsichtsrat, Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands und im Fernsehrat des ZDF sowie im Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung, den sie inzwischen leitet, wendet sich sogar offen und direkt an Ackermann. »Im Auftrag vieler leitender Angestellter« bittet sie ihn ebenfalls, sich entgegen seinen bisherigen Bekundungen in das Kontrollgremium wählen zu lassen. Der Schweizer habe sich, so sagt Thieme der Nachrichtenagentur dpa , dazu ihr gegenüber »nicht definitiv ablehnend geäußert«.
Zwei Tage bevor der Nominierungsausschuss des Aufsichtsrats am Sonntag, dem 10 . Juli, in Frankfurt den Personalvorschlag für die Ackermann-Nachfolge verabschieden will, berichtet die Welt von dem Geheimtermin. Und meldet gleich mit, dass Chefkontrolleur Börsig nicht beabsichtige, für Ackermann »das Feld zu räumen«. Es ist die Ankündigung eines finalen Showdowns.
Der Chef der Deutschen Bank ist an diesem Freitag in London, um am Abend eine weitere Ehrung entgegenzunehmen. Die angesehene Zeitschrift Euromoney hat seinem Haus den Preis als »Best Global Bank 2011 « zugesprochen. Die Coverstory des Fachmagazins ist eine Hymne auf den Schweizer, der »seit nunmehr fast einem Jahrzehnt seine Kritiker stets aufs Neue eines Besseren belehrt« und immer wieder Dinge erreicht habe, die »sie nicht für möglich gehalten« hätten. Mit der »Gewichtsverlagerung der Bank weg von der übermäßigen Abhängigkeit von seiner aus allen Rohren schießenden Investmentbank« zurück zu ihren deutschen Wurzeln sei ihm »vielleicht sein größtes Meisterstück gelungen«.
In seinem Hotel, dem Berkeley im Stadtteil Knightsbridge direkt am Hyde Park, vernimmt es Josef Ackermann mit Wohlgefallen – und geht bei Gurken-Sandwiches und Mineralwasser seine Optionen für die Zukunft durch.
Er könnte die prominente Preisverleihung am Abend nutzen und mit einem Big Bang zurücktreten. Alle Welt vermutet ja, dass er in nicht einmal einem Jahr ohnedies gehen wolle. So ließe sich die ungeliebte Zeit als »lahme Ente« vermeiden. Aber: Sähe das nicht wie Hinwerfen aus? Das ist nicht seine Art. Würde er dann nicht womöglich sogar als Verlierer betrachtet? Das will er auf keinen Fall.
In das Kontrollgremium der Bank zu wechseln und dessen Vorsitz zu übernehmen, war nie sein Ziel und ist es immer noch nicht. »Ich wäre ein schlechter Aufsichtsratsvorsitzender«, hatte er einmal öffentlich gesagt, »weil ich viel zu stark im Geschäft bin und nicht loslassen könnte.« Außerdem verfügt ein deutscher Aufsichtsratsvorsitzender über zu wenige Befugnisse, um einen Machtmenschen wie ihn zu reizen. Den ganzen Tag auf den Frankfurter Opernplatz hinunterzuschauen, gelegentlich eine Rede zu guter Unternehmensführung zu halten und Repräsentationspflichten nachzukommen – das ist nichts für Josef Ackermann.
Warum also nicht einfach weitermachen und seinen Vertrag bis 2013 erfüllen? Niemand könnte ihn daran hindern. International steht er im Zenit seines Ansehens. Beim Ringen der Eurostaaten um die Rettung Griechenlands vor dem Staatsbankrott und den Erhalt ihrer gemeinsamen Währung sitzt er für die Finanzbranche mit Staats- und Regierungschefs am Verhandlungstisch. Sein eigenes Haus hat im ersten Quartal ein glänzendes Ergebnis hingelegt, und auch das zweite ist gut gelaufen – alles ist so weit im Plan für das angepeilte Rekordergebnis von zehn Milliarden.
Andererseits: Erklärt er nun, bis 2013 bleiben zu wollen, würde das ein Tohuwabohu an der Spitze der Bank auslösen. Aufsichtsratschef Börsig wäre ein weiteres Mal mit der Nachfolgeregelung und damit endgültig gescheitert, Jürgen Fitschen, kaum jünger als Ackermann, hätte keine Chance mehr auf den Chefposten, und Anshu Jain
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