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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Baron
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müsste für zwei weitere Jahre in die Warteschleife – mit ungewissem Ausgang.
    Die Entscheidung des gesetzlich zuständigen Gremiums hat der Schweizer so oder so zu respektieren. Die Doppelspitze Fitschen-Jain, die der Aufsichtsratsvorsitzende will, ist nicht seine Wunschlösung, aber es sind Kollegen, mit denen er seit vielen Jahren zusammengearbeitet hat. Alle Welt frotzelt ihn in diesen Tagen überdies schon an, dass es wohl gleich zwei Mann brauche, um ihn zu ersetzen – es gibt Schlimmeres! Auch auf Hermann-Josef Abs, der die Deutsche Bank nach dem Krieg wieder zu neuem Glanz geführt hatte, waren einst zwei Sprecher gefolgt.
    Vor allem aber weiß Josef Ackermann, dass die Mitarbeiter ein Ende der ewigen Personaldiskussionen herbeisehnen, endlich Klarheit haben wollen und ihn gerne an der Stelle von Clemens Börsig auch in Zukunft weiter an der Spitze dabei sähen. Müssten sie es nicht als eigensüchtig empfinden, würde er sich diesem Wunsch und einer Lösung verweigern, die die Bank befriedet? Würde sein guter Ruf bei der Truppe dadurch nicht schwer beschädigt?
    Das gibt für den stark in militärischen Ehrkategorien denkenden Schweizer am Ende den Ausschlag. Und so ruft er Werner Wenning an, der in diesen Tagen als Vermittler zwischen ihm und Börsig hinter den Kulissen nach einem Ausweg aus der verfahrenen Lage sucht, und sagt ihm, dass er sich entgegen seiner Lebensplanung und trotz der hohen gesetzlichen Hürden für einen direkten Wechsel einem Ruf an die Aufsichtsratsspitze nicht verschließen würde.
    Damit ist der Weg frei für einen Kompromiss: Jain und Fitschen sollen mit Ablauf der Hauptversammlung Ende Mai 2012 Co-Chefs der Bank werden. Clemens Börsig setzt damit seine Nachfolgelösung durch. Zum selben Zeitpunkt tritt er jedoch als Aufsichtsratsvorsitzender zurück. Seine Stelle soll künftig Josef Ackermann einnehmen.
    Darauf einigen sich schließlich alle Beteiligten. Und diesmal bleibt alles unter Verschluss. Die mühsam gefundene Lösung darf nicht öffentlich zerredet, die erst gut zwei Wochen später anstehende Aufsichtsratssitzung nicht präjudiziert werden.
    Am 25 . Juli verabschiedet das Kontrollgremium der Bank einstimmig das Paket, das der Nominierungsausschuss mit dem Vorstandsvorsitzenden zusammen geschnürt hatte: »Ackermann stürzt Börsig«, titelt die Financial Times Deutschland . »Und er bleibt doch«, stöhnt die Welt am Sonntag , die den Schweizer bereits abgeschrieben und dicke Krokodilstränen geweint hatte.
    Ermüdet von dem nervigen Nachfolge-Gezerre und der Schuldenkrise in Europa geht Josef Ackermann in den Sommerurlaub. Im Herbst spitzt sich die Lage auf den europäischen Finanzmärkten erneut zu. 2011 sollte für die Bank, so ihr Chef, nach einem »Jahr des Säens« eigentlich ein »Jahr des Erntens« werden. Doch die Staatsschuldenkrise macht dem Schweizer einen Strich durch die Rechnung, die Saat geht nicht auf. Der angepeilte Rekordgewinn von zehn Milliarden Euro in seinem letzten vollen Jahr an der Spitze des Vorstands gerät außer Reichweite, weil die Investmentbank ihre Ziele nicht erreicht. Und die Herausforderungen in der Eurozone werden immer größer.
    Zugleich zeichnet sich auch immer deutlicher ab, dass ein direkter Wechsel in den Aufsichtsrat schwieriger wird als ohnehin schon vermutet. Die großen Investoren haben strikte Regelwerke für Corporate Governance, die einen solchen Jobtausch eigentlich nicht erlauben. Dies macht für Josef Ackermann ein sehr kleinteiliges, zeitaufwendiges Werben nötig, um mit Sicherheit die nötige Stimmenzahl zu erlangen. Ein Werben, das die Bank ihrem Vorsitzenden zudem nicht abnehmen kann, sondern das der selbst ganz persönlich auf sich nehmen müsste.
    Die kontroverse Diskussion in der Öffentlichkeit tut ein Übriges. Zeitweise wird dort sogar über eine »Lex Ackermann« diskutiert, die dem Schweizer den direkten Weg an die Aufsichtsratsspitze per Gesetz verbauen soll.
    Josef Ackermann wäre es gerade recht gewesen. Einen besseren Notausgang hätte er sich nicht wünschen können. Denn mit seiner Entscheidung vom Juli hat er sich nie wirklich wohl gefühlt. Sie war ihm immer nur als das kleinste Übel erschienen, aus der Not und der Situation geboren.
    Soll er in der schwersten Krise seit Bestehen der Europäischen Union, in seinem Alter und mit seiner Lebensleistung reihum Vertreter von Kleinaktionären und Corporate-Governance-Verantwortliche der Großaktionäre abklappern, mit ihnen über sein

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