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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld
Autoren: David Kessler
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aktiv werden. Ich möchte nur, dass Sie neben ihm sitzen und ihn harmlos aussehen lassen. Sie wissen, wie viel öffentliche Aufmerksamkeit dieser Fall schon vor Prozessbeginn erregen wird – beziehungsweise bereits erregt hat . Die Medien werden Claymores Vergangenheit sezieren und ihn mit O.J. Simpson vergleichen. Sein Ruf wird schon zerstört sein, bevor der Fall überhaupt vor Gericht landet. Das sind die Probleme, mit denen wir es hier zu tun haben.«
    »Und was sollte die Tatsache, dass ich neben ihm sitze, Ihrer Meinung nach daran ändern?«
    Alex sah ihr in die Augen und versuchte sie einzuschätzen. »Wenn die Geschworenen eine hübsche junge Frau neben ihm sitzen sehen, lösen sich ihre Vorurteile in Luft auf. Weil er dadurch wirkt wie ein ganz normales menschliches Wesen. Sie merken, dass er ungefährlich ist, harmlos, friedfertig … und nicht das Monster, als das die Anklagevertretung ihn darstellt.«
    »Und da behaupten Sie, Sie würden nicht von mir verlangen, dass ich mich prostituiere!« Sie funkelte ihn böse an. Wenn er gehofft hatte, sie würde es ihm leicht machen, hatte er sich getäuscht.
    »Hören Sie«, sagte er, nachdem er tief Luft geholt hatte. »Claymore hat bei der amerikanischen Mittelschicht ein Imageproblem. Jeder kennt seine Vergangenheit, jeder weiß, dass er weiße Frauen vergewaltigt hat, um es hinterher als politischen Akt darzustellen, und dass er aus dem Gefängnis ausgebrochen und nach Libyen geflohen ist. Aber er hat ein Recht darauf, aufgrund der Beweislage dieses Falls beurteilt zu werden – und nicht aufgrund seiner Vergangenheit, in der er ein wütender, verbitterter junger Mann war.«
    »Dass Claymore ein Problem hat, bestreite ich nicht«, räumte sie ein und rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl herum. »Aber wenn Sie mich bitten, neben ihm zu sitzen, um ihn harmlos aussehen zu lassen, ist das so als … als würden Sie meinen Körper dazu benutzen, ein Produkt zu verkaufen.«
    »Was für ein Produkt denn, um Himmels willen? Wir sprechen hier vom Ruf eines Menschen!«
    »Dann behandeln Sie ihn auch so und kämpfen Sie mit begründeten Argumenten – und nicht mit Silikontitten und einer blondierten Mähne.«
    Alex wollte ihr schon widersprechen, verstummte dann aber und grinste über Andis satirische Selbstbeschreibung. »Na gut, Sie haben mich erwischt. Wir müssen hier tatsächlich auf Madison Avenue machen und Methoden aus der Werbebranche anwenden. Aber wissen Sie was? Wir tun es für eine gute Sache.«
    »Was Sie vorschlagen, geht aber weit über Madison Avenue hinaus … Mich erinnert das eher an den Sunset Boulevard oder an Moulin Rouge.«
    »Miss Phoenix«, ergriff Sherman das Wort. »Lassen Sie es mich ganz unverblümt sagen: Sie sind Angestellte von Levine und Webster, und ich habe vor, meine Autorität spielen zu lassen.«
    »Ihre Autorität spielen zu lassen?«
    »Ja«, erwiderte er steif.
    Alex schwieg. Sie spielten das alte »Guter Polizist/böser Polizist«-Spielchen, und jetzt war Sherman an der Reihe.
    »Sie scheinen zu glauben, dass Sie ein Druckmittel gegen mich in der Hand haben.«
    »Wie wäre es mit Ihrer Zukunft in dieser Kanzlei?«
    »Meiner Zukunft?«, wiederholte sie eher verblüfft als verärgert. »Ich habe einen Vertrag.«
    »So ein Vertrag ist ein zweischneidiges Schwert. Sie weigern sich gerade, für einen unserer wichtigsten Mandanten zu arbeiten.«
    »Elias Claymore?«, fragte sie ungläubig.
    »Seine Versicherungsgesellschaft.«
    »Das tut nichts zur Sache. Ich habe einen stichhaltigen Grund, Claymore nicht zu vertreten.«
    »Und der wäre?«, fragte Sherman.
    »Meine … Lebensgefährtin. Sie arbeitet im Krisenzentrum für Vergewaltigungsopfer. Gut möglich, dass sie sogar persönlich mit diesem Fall betraut ist.«
    »Sie könnte ihn einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin überlassen.«
    »Aber vielleicht ist sie bereits mit dem Opfer in Kontakt getreten.«
    »Dann können wir immer noch das Recht des Beschuldigten auf freie Wahl seines Rechtsbeistands anführen. Und Sie müssten sich bereit erklären, nicht mit Ihrer Lebensgefährtin über den Fall zu sprechen.«
    »Das wäre aber … eine Belastungsprobe für uns.«
    Alex fiel auf, dass ihre Einwände nicht mehr ganz so kategorisch klangen. Ihr Tonfall war deutlich milder geworden. Er musste sie schnell festnageln, bevor sie es sich anders überlegte. »Hören Sie sich das an«, bat er.
    Er drehte sich um, griff nach ein paar Zeitungen, die auf einem Rollwagen in der Nähe
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