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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld
Autoren: David Kessler
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verbietet.«
    Martine stand in Snooker-Weste vor dem Gerichtsgebäude und sprach in nüchternem Tonfall in die Kamera. Sie war sich nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee war, von ihrem Markenzeichen, einem blauen Jackett, abzurücken, aber auf die Snooker-Weste hatte sie bisher nur positive Reaktionen erhalten, und es gab Gründe dafür, dass sie heute ihre Figur betonen wollte. Im Sender war neuerdings die Rede davon, sie hinter ein Studiopult zu verbannen und durch eine ehrgeizige, blutjunge Außenreporterin zu ersetzen.
    »Die Staatsanwaltschaft erhob Einspruch gegen Mrs Phoenix’ Mitwirkung, aber nach langer Diskussion unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurde dieser Einspruch abgewiesen. Die Staatsanwaltschaft lehnte es anschließend ab mitzuteilen, ob sie in Berufung gehen will.«
    Eine Frauenhand griff zur Computermaus und hielt den Nachrichtenbeitrag an. Mit einem Klick auf eine Schaltfläche startete die Frau ein Mailprogramm und fing an, eine Nachricht an [email protected] zu verfassen.
    Das würde diese Schlampe das Fürchten lehren.

Freitag, 12. Juni 2009 – 19.45 Uhr
    »Wie hast du es geschafft, ihre Einwände zu zerstreuen?«, fragte Martine über ihre Vorspeise hinweg, Foie gras au torchon mit in Muskatwein pochierten Adriafeigen.
    Martine und Alex saßen im Little Door, einem von Martines Lieblingsrestaurants. Die Holztüren, durch die man den überdachten Innenhof betrat, bildeten das Tor zu einer vollkommen anderen Welt. Sofort ließ man die lärmende Stadt hinter sich und fand sich in einer idyllischen Szenerie aus Bougainvilleen, Farnen, einem Mosaikbrunnen und einem Koi-Teich wieder. Der schmiedeeiserne Kronleuchter zeichnete sein Lichtmuster auf die Spitzentischdecke, und durch das Oberlicht konnte man sogar den Mond sehen.
    »Ich möchte aber nicht, dass das in den Abendnachrichten erscheint«, bat Alex.
    »Ich behandle es streng vertraulich«, versicherte ihm Martine.
    »Wir mussten sie erst sanft überreden.«
    Er fühlte sich unwohl bei diesem Geständnis, weil ihn Martine jetzt vermutlich für einen Tyrannen hielt. Aber die Justiz war nun mal ein schmutziges Geschäft, das wussten sie beide.
    »Wir?« Martine zog die Augenbrauen hoch und lächelte.
    »Paul Sherman und ich.«
    »Du meinst, ihr habt sie erpresst?«
    »Ich nenne es lieber Bestechung«, antwortete er nach kurzem Zögern mit schuldbewusstem Lächeln. Dann nahm er seine eigene Vorspeisein Angriff, einen leichten Bauernsalat mit gedünstetem Frühlingsgemüse. Schließlich musste hinterher noch Platz sein für das Filet mignon mit Röstkartoffeln, das er als Hauptgang bestellt hatte.
    »Und was war die Mohrrübe, mit der ihr den Esel bestochen habt?«, spielte sie lächelnd auf das Stück Karotte an, das er gerade auf seine Gabel gespießt hatte.
    »Ich habe ihr das Ganze als Kampf für das Recht eines Menschen auf seine zweite Chance verkauft.« Nervös sah er sie an und erwartete skeptisches Gelächter oder eine sarkastische Antwort.
    Aber Martine bedachte ihn mit einem bezaubernden Lächeln und fragte: »Und was war Shermans Peitsche?«
    »Wie meinst du das?«
    »Jetzt tu nicht so unschuldig, Alex. Ihr habt guter Cop/ böser Cop gespielt, gib’s zu!«
    Er hob hilflos die Hände, geblendet von Martines durchdringendem Blick. »Ist ja gut«, räumte er widerwillig ein. »Ich geb’s zu. Wir mussten das ganze Repertoire auffahren.«
    »Das überrascht mich nicht. Ist bestimmt nicht leicht für sie, wo ihre Freundin doch im Krisenzentrum für Vergewaltigungsopfer arbeitet.«
    »Das ist Privatsache. Das müssen die beiden unter sich ausmachen.«
    »Bei dir klingt das so einfach. Versetz dich doch mal in Eugenia Vances Lage: In der einen Minute macht sie noch ganz normal ihre Arbeit, und in der nächsten erfährt sie per richterlicher Anordnung, dass sie keinen Kontakt mehr mit dem Opfer haben darf.«
    »Es sollte auch gar nicht kaltschnäuzig klingen, tut mir leid. Aber der Richter hatte keine andere Wahl: Er musste die Kontaktsperre anordnen, um einen Interessenskonflikt zu vermeiden.«
    Martines Gesicht wurde plötzlich ernst. »Genau darüber wollte ich eigentlich mit dir reden.«
    »Was meinst du?«, fragte Alex. Martines Worte und vor allem ihr Tonfall verhießen nichts Gutes.
    »Ich befinde mich auch in einem Interessenskonflikt. Ich kann nicht über diesen Fall berichten und mich gleichzeitig mit dir treffen.«

Freitag, 12. Juni 2009 – 21.15 Uhr
    Es war schon spät, als Andi nach Hause kam. Sie hatte
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