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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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eine Anklage, die im Gerichtssaal noch hieb- und stichfest erschien, im Geschworenenzimmer völlig in sich zusammenfallen.«
    »Gibt es denn jüngere Fälle, von denen wir profitieren können?«, fragte Claymore. Es fiel ihm nicht leicht, in diesem Zusammenhang das Wort »profitieren« zu verwenden.
    »Leider nein. In unserem Fall besteht der Schlüssel zum Erfolg in der richtigen Zusammenstellung der Geschworenen«, erklärte Andi. »Und das bedeutet, dass wir den Prozess in den richtigen Bezirk verlegen und dann so lange Geschworene ablehnen müssen, bis wir eine handverlesene Jury haben. Manchmal reicht dafür schon die Zugehörigkeit zur richtigen Bevölkerungsgruppe. Im O.J.-Simpson-Fall ist es der Verteidigung gelungen, eine überwiegend afroamerikanische Jury zusammenzustellen. Im Rodney-King-Fall war es eine rein weiße Jury in Simi Valley, wo besonders viele Polizisten wohnen.«
    »Und wird uns das auch gelingen?«
    Wieder sah Andi Alex an. Und wieder nickte er, um sie zu ermuntern.
    »In unserem Fall ist das ein wenig komplizierter. Sogar wenn wir eine rein schwarze Jury zusammenkriegen, ist noch lange nicht gesagt, dass das für Sie von Vorteil wäre. Sie haben es ja selbst gesagt: Ihre unverblümten Ansichten haben viele Schwarze gegen Sie aufgebracht.«
    »Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen, Mrs Phoenix? Haben Sie sich freiwillig für dieses Mandat gemeldet?«
    Gespannt wartete Alex Andis Antwort ab und fragte sich, ob sie höflich oder schonungslos ehrlich ausfallen würde. Aber er wusste, dass er jetzt nicht eingreifen durfte.
    »Das ist doch keine persönliche Frage«, wiegelte sie mit einem Lächeln ab.
    Claymore ließ sie nicht aus den Augen.
    »Ich …« Sie warf Alex einen unsicheren Blick zu, aber der sah nicht aus, als wollte er ihr beispringen. »Mr Sedaka hat mich um Hilfe gebeten, und ich habe eingewilligt. Er war sehr … überzeugend.«
    Alex hustete nervös. »Ich finde, wir sollten keine weitere Zeit verlieren«, drängte er zur Eile. »Wir recherchieren natürlich weiter für unseren Antrag auf einen Ortswechsel, sollten uns aber gleichzeitig noch einmal die Beweislage vornehmen.«
    Er reichte Andi und Claymore Kopien des Indizienberichts.
    »Die Anklage gegen dich scheint sich aus den folgenden Punkten zusammenzusetzen: erstens, einer Aussage des mutmaßlichen Opfers inklusive der Fotos, die der jungen Frau zur Identifikation des Täters vorgelegt wurden. Zweitens, einem medizinischen Gutachten über den körperlichen Zustand des Opfers direkt nach Anzeige des Vorfalls. Drittens, polizeilichen Fotos, die diesen Zustand beweisen. Viertens, einem Abgleich zwischen der DNA, die am Tatort gefunden wurde, und Referenzproben, die von dir und dem mutmaßlichen Opfer genommen wurden. Fünftens, dem Bericht eines Augenzeugen, der dich nach der angeblichen Vergewaltigung bei der Flucht vom Tatort beobachtet haben will. Sechstens, deiner früheren Verurteilung wegen sechsfacher Vergewaltigung.«
    »Ich habe keine Ahnung, wo die diesen Mist herhaben«, sagte Claymore kopfschüttelnd. »Ich meine, die Verurteilung gebe ich natürlich zu. Aber der Rest ist frei erfunden.«
    »Einiges lässt sich leicht entkräften«, pflichtete ihm Alex bei. »Der Zeuge, der dich auf der Flucht gesehen haben will, ist nicht besonders glaubhaft. Ich werde einen Privatdetektiv auf die Vorgeschichte des Mädchens ansetzen, vielleicht findet er ja etwas, durch das wir ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen können. Das größte Problem sind die DNA und das fotografische und medizinische Beweismaterial. Die DNA weist auf dich hin und erschwert es uns abzustreiten, dass es zwischen dir und Miss Newton zu einer sexuellen Begegnung kam.«
    »Ich verstehe nicht, wie die Polizei zu meiner DNA gekommen ist.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Andi.
    »Ich habe sie nicht angerührt. Ich bin ihr ja noch nicht mal begegnet .«
    »Okay«, sagte Alex. »Das besprechen wir gleich noch genauer. Aber zunächst möchte ich eines vollkommen klarstellen: Wir können nicht gleichzeitig behaupten, dass eine Verwechslung vorliegt, und damit argumentieren, dass der Geschlechtsverkehr einvernehmlich war. Wir müssen uns entscheiden. Durch deine bisherigen Aussagen bei der Polizei hast du uns im Prinzip bereits auf die Verwechslung festgelegt. Wir können deine Version natürlich immer noch ändern, aber das macht keinen guten Eindruck.«
    »Warum sollteich meine Version ändern? Ich habe das angebliche Vergewaltigungsopfer noch nie

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