Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
Vom Netzwerk:
jemanden, der einem den nötigen Dreck liefert. Meistens sogar mehrere Personen. Dann ruft man so viele davon in den Zeugenstand wie möglich und wiegelt die Geschworenen gegen das Opfer auf.«
    »Aber warum heißt diese Methode Hundert-zu-zehn-Methode?«
    »Weil dahinter die Theorie steht, dass auf hundert Personen, die das Opfer kennen, zehn kommen, die bereit sind, etwas geringfügig Negatives über es zu sagen, vier oder fünf, die bereit sind, etwas sehr Negatives zu sagen, und zwei oder drei, die etwas extrem Negatives vorzubringen haben. Und dann ruft man so viele dieser Leute in den Zeugenstand, wie der Richter erlaubt.«
    »Wenn Alex das Opfer wäre«, grübelte Andi, »würde eine Handvoll Leute wahrscheinlich reichen, um Dreck im Überfluss auszugraben.«
    Wieder brachen sie in Gekicher aus.
    »Wir sind da«, verkündete Juanita, die immer noch lachte, als sie vor dem imposanten weißen Gerichtsgebäude hielten.

Mittwoch, 19. August 2009 – 15.15 Uhr
    »Ohne den Quellcode wird es ziemlich kompliziert.«
    Sie befanden sich in David Sedakas Büro im frisch renovierten Zentrum für Theoretische Physik von Berkeley. Das Zimmer war überraschend groß und hell und hatte ein riesiges Fenster. David saß auf einem blauen Bürostuhl mit hoher Lehne, und auf der anderen Seite des ausladenden halbrunden Kirschholzschreibtischs hatten Juanita und Andi auf ähnlichen Stühlen Platz genommen. Zwischen ihnen befand sich der einzige Teil des Tisches, der nicht mit Papieren übersät war, und das auch nur, weil David sie gestapelt und zur Seite geschoben hatte, um Platz zu schaffen.
    »Aber Sie können das Programm doch zumindest dekompilieren, oder?«, fragte Andi.
    »Natürlich. Aber ohne den Quellcode des Originals kann ich es anschließend mit nichts vergleichen, um nach Fehlern zu suchen. Außerdem habe ich so kein erläuterndes Infomaterial und muss selbst herauszufinden, wie es funktioniert. Hoffentlich werde ich damit fertig, bis ich in die Schweiz fliege.«
    David wollte dem Europäischen Kernforschungszentrum in Genf einen Besuch abstatten, um im dortigen Großen Hadronen-Speicherring seine Theorie zu testen, dass Antimaterie sich in Photonen zersetzen kann, ohne mit Materie kollidieren zu müssen.
    »Vielleicht sollte man zuerst nach Faktoren suchen, die der Zufälligkeit im Wege stehen«, schlug Andi vor. »Also nach allem, was verhindert, dass die Auswahl zufällig ist, ob es nun mit Afroamerikanern zu tun hat oder nicht. In Grand Rapids ging es schließlich auch nicht um ethnische Zugehörigkeit an sich, sondern um Postleitzahlen.«
    »Danach suche ich auf jeden Fall, und auch nach allem, was Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden Daten erlaubt. Ideal wäre es, wenn wir eine Kopie der Namenslisten hätten, mit denen die Software gefüttert wurde. Vielleicht liegt da schon das Problem.«
    Das Programmieren von Computern war nicht Davids Spezialgebiet, aber wie viele Physiker besaß er gute Grundkenntnisse. Außerdem konnte er eine solide mathematische Ausbildung und ein großes Netzwerk an Fachleuten vorweisen, die er um Hilfe bitten konnte.
    »Wir haben am Freitag eine Anhörung, bei der wir die Herstellerfirma um den Quellcode bitten können. Die werden sich heftig widersetzen und in Berufung gehen, falls die Richterin zu unseren Gunsten entscheidet. Zum jetzigen Zeitpunkt ist uns alles, was Sie dem ausführbaren Programm entlocken können, eine große Hilfe. Kann durchaus sein, dass wir den Quellcode noch kriegen, die Frage ist nur, wann.«
    Andi stand zwar nicht auf Männer, aber selbst ihr entging nicht, dass David ziemlich gut aussah, obwohl er nur knapp 1,70 Meter groß war, eine riesige, kastenförmige Brille trug und widerspenstige schwarze Locken hatte.
    »Ich dekompiliere das Programm sofort, aber ich glaube nicht, dass ich noch vor dem Wochenende dazu komme, es mir anzusehen.«
    »Ich weiß jede Hilfe zu schätzen«, sagte Andi.

Donnerstag, 20. August 2009 – 10.10 Uhr
    Am Donnerstag wurde als erste Zeugin der Anklage Dr. Elaine Weiner aufgerufen, die Ärztin, die Bethel nach der Vergewaltigung untersucht hatte. Sie war erst Ende zwanzig, strahlte aber ein ruhiges Selbstvertrauen aus und wirkte wie jemand, der schon öfter vor Gericht ausgesagt hatte und sich nicht davon einschüchtern ließ. Die wahre Bewährungsprobe würde natürlich erst kommen, wenn die Verteidigung sie ins Kreuzverhör nahm, aber sie ließ keinerlei Nervosität erkennen. Im Gegenteil: Sie warf Alex sogar einen kurzen,

Weitere Kostenlose Bücher