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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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für einen flüchtigen Moment nach oben, um die Hose nach unten zu ziehen. Das war genau die Gelegenheit, auf die sie gewartet hatte. Blitzschnell drehte sie ihren Körper zur Seite und zog die kleine Dose Pfefferspray aus der Tasche, die sie immer mit sich herumtrug. Sie hatte einen Selbstverteidigungskurs besucht und wusste, dass man weder Zeit noch Energie darauf verschwenden durfte, das Spray richtig zu positionieren. Dadurch wäre der Täter nur auf ihr Vorhaben aufmerksam geworden. Also hob sie die Dose hastig vor sein Gesicht, schloss Mund und Augen und entließ einen großen Schwall Spray.
    Der Mann brüllte vor Schmerz und Wut und rollte sich von ihr herunter auf den Fahrersitz, um sich die Augen zu reiben. Auch Martine keuchte und hustete, weil sie Spraytropfen abbekommen hatte. Um ihm einen erneuten Angriff zu erschweren, setzte sie sich auf, streckte gleichzeitig die Hand nach seinem Hals aus und grub ihren Daumen in das weiche Gewebe. Wieder schrie er vor Schmerz auf, aber dieses Mal gelang es ihm, ihr von der Seite brutal ins Gesicht zu schlagen.
    Von der Wucht des Schlags noch ganz benommen, tastete sie nach dem Griff der Beifahrertür und zog daran. Aber die Tür ging nicht auf. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass ihr Wagen über ein Sicherheitsschloss verfügte. Zum Glück kannte sie sich damit aus. Sie drückte einen Knopf unter dem Armaturenbrett und entriegelte die Beifahrertür. Beim zweiten Versuch gelang es ihr, die Tür zu öffnen, aber bevor sie sie weit genug aufstoßen konnte, um hinauszuschlüpfen, packte der Mann ihren Arm. Sie rief laut »Feuer!«, weil sie wusste, dass Passanten darauf eher reagierten als auf »Hilfe!«.
    Er brachte sie zum Schweigen, indem er seine Hand auf ihren Mund presste, dieselbe Hand, mit der er auch nach ihrem Arm gegriffen hatte. Mit der anderen rieb er sich immer noch die brennenden Augen. Da Martine also Arme und Hände frei hatte, drückte sie mit der einen Hand die Beifahrertür weiter auf und befreite mit der anderen ihren Mund von seiner Hand – unterstützt von einem kräftigen Biss. Erneut stieß er einen lauten Schmerzensruf aus und riss die Hand an den Mund.
    Martine nutzte sofort die Gelegenheit, warf sich aus der offenen Tür nach draußen und rannte davon, wobei sie weiter »Feuer!« rief.
    Der Mann wusste, dass er jetzt nicht mehr an sie herankam. Näher kommende Schritte verrieten ihm, dass er in Gefahr war. Zwar hatte er keine Ahnung, wie viele Personen auf Martines Rufe reagiert hatten und ob es sich dabei um Wachmänner oder nur um normale Bürger handelte, aber selbst wenn sie nicht in der Lage wären, ihn aufzuhalten, wären sie doch Zeugen, die ihn identifizieren konnten.
    Er musste also so schnell wie möglich flüchten. Martines Auto konnte er nicht nehmen, weil es über eine moderne Hightech-Zündung verfügte und er den Schlüssel nicht hatte. Sie musste ihn in die Tasche gesteckt haben, als sie nach dem Pfefferspray gegriffen hatte. Er sprang aus dem Wagen und hechtete durch die Beifahrertür in sein eigenes Auto zurück, wo er die Tür zuschlug, auf den Fahrersitz hinüberrutschte und so schnell wie möglich den Motor startete. Inzwischen stürmten zwei Sicherheitsmänner auf das Fahrzeug zu, die offensichtlich mehr daran interessiert waren, ihn aufzuhalten, als daran, sich um Martine zu kümmern.
    Selbst wenn sie bewaffnet waren, würden sie nicht schießen, das wusste er. Sie mochten berechtigt sein, ihn in Gewahrsam zu nehmen, aber sie waren nicht berechtigt, auf ihn zu schießen. Nicht in Kalifornien. Außerdem wussten sie ja gar nicht, dass es sich um versuchte Vergewaltigung handelte. Es hätte sich genauso um ein streitendes Liebespaar handeln können oder den Kampf um eine Parklücke. Schließlich hatte sie »Feuer« geschrien und nicht »Vergewaltigung« – wohl kaum Grund genug, einen Menschen zu erschießen.
    Die Männer versuchten, sich ihm in den Weg zu stellen, aber er fuhr einfach weiter, so dass sie beiseitespringen und sich schutzsuchend hinter ein parkendes Auto werfen mussten.
    Er gestattete sich ein kurzes Schmunzeln über ihren armseligen und vor allem vergeblichen Versuch, ihn aufzuhalten, während er mit quietschenden Reifen die Rampen hinunterjagte, um zur Ausfahrt des Parkhauses zu gelangen. Mehrmals kamen ihm andere Autos gefährlich nahe, aber durch seinen aggressiven Fahrstil zwang er sie, auf die Bremse zu treten oder im letzten Moment auszuscheren. Und so brauchte er nur eine Minute, um zur Ausfahrt

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