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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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kann.«
    Alex war nicht beleidigt, höchstens ein wenig genervt. »Jetzt zieh nicht wieder die Nummer ab, dass dein alter Vater das sowieso nicht versteht. Ich will wissen, was du gefunden hast.«
    »Gut, aber das ist mit Worten allein nun mal schlecht zu erklären. Ich habe ein Diagramm gezeichnet, das ich dir zeigen könnte. Soll ich vorbeikommen?«
    Davids Vorschlag kam Alex höchst ungelegen. Irgendwann würde er ihm natürlich erzählen müssen, wie weit seine Beziehung mit Martine inzwischen fortgeschritten war, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt.
    »Kannst du mir nicht eine E-Mail schicken? Außerdem muss Andi ja auch hören, um was es geht.«
    »Sie könnte doch ebenfalls zu dir kommen. Dann kann ich euch die Ausdrucke und Diagramme zeigen, und alles andere auch.«
    Alex musste sich schnell etwas einfallen lassen. »Ich habe eine bessere Idee. Lass uns eine Videokonferenz machen, davon erzählst du doch immer.«
    »Okay. Ruf Andi an und sag ihr, sie soll online gehen. Du gehst auch ins Internet, und dann lade ich euch beide ein. Ihr müsst die Konferenz nur annehmen, und schon geht’s los.«

Samstag, 22. August 2009 – 09.30 Uhr
    Es war Samstagmorgen, und Bethel war unglücklich. Freitagabends wäre sie normalerweise mit ihren Freunden durch die Stadt gezogen. Sie redete sich ein, dass sie die beiden Vergewaltigungen in ihrem Leben ganz gut weggesteckt hatte. Aber vollkommen darüber hinweg war sie noch nicht. Ihre eigene Aussage vor Gericht und die Aussagen der Zeugen hatten alles wieder in ihr aufgewühlt. Statt sich draußen zu amüsieren, saß sie nun während der Dauer des Prozesses in der Wohnung ihrer Freundin Linda und blies Trübsal. Wenn der Prozess vorbei war, würde sie zu ihren Eltern zurückkehren und versuchen, ihr altes Leben wieder aufzunehmen, auch wenn sie gar nicht mehr wusste, wie das ging.
    Ursprünglich hatte sie vorgehabt, wieder aufs College zu gehen. Aber nicht jetzt sofort. Seit der Vergewaltigung – der zweiten Vergewaltigung – ertrug sie keine Menschen mehr. Besser gesagt, keine Männer. Sie hatte in der Zwischenzeit zwar ein paar Verabredungen gehabt, sich dabei aber billig und schmutzig gefühlt, obwohl die jungen Männer gar nicht aggressiv gewesen waren. Die meisten waren sehr bemüht gewesen, sie respektvoll zu behandeln, fast schon schüchtern. Aber gerade diese Behandlung mit Samthandschuhen hatte sie daran erinnert, dass sie »beschädigte Ware« war. Ihr kam es vor, als wollten die Jungen sie nicht anfassen. Und wenn es doch einmal einer versuchte, entzog sie sich.
    Die letzte Vergewaltigung hatte sie irgendwie stärker beeinträchtigt als die erste.
    Beim ersten Mal war sie während einer Verabredung vergewaltigt worden und zutiefst verletzt gewesen. Aber in gewisser Weise hatte sie das Ganze kommen sehen, denn Orlando war im Laufe des Abends immer aggressiver geworden. Sie hatte sich geweigert, mit ihm zu schlafen, und beobachtet, wie sein Frust mit der Zeit in Wut und schließlich in Gewalt umgeschlagen war, weil er seinen Willen nicht durchsetzen konnte. Wie ein verwöhntes Kind, das einen Tobsuchtsanfall bekam. Und weil sie mit diesem zu groß geratenen Kind ganz allein gewesen war, hatte sie es irgendwann nicht mehr geschafft, ihn sich vom Leib zu halten.
    Sie wusste, dass auch Luke Orlando für seine Tat gebüßt hatte. Er hatte seine Freunde verloren, die ganz genau wussten, dass er sie vergewaltigt hatte – sie und das andere Mädchen, das sich damals gemeldet hatte, deren Fall jedoch nie vor Gericht gelandet war.
    Aber dieses Mal war es anders. Als sie zu diesem so charmant wirkenden Mann in den Mercedes gestiegen war, hatte sie nichts dergleichen erwartet. Natürlich kannte sie die rassistischen Klischees der Gesellschaft. Umso entschlossener war sie gewesen, sich nicht davon einschüchtern zu lassen.
    Einige ihrer männlichen Bekannten hatten angeboten, »diesen Scheißkerl zusammenzuschlagen«. Aber das linderte ihren Schmerz nicht im Geringsten. Für die ging es nur um Rache. Sie verstanden nicht, wonach sie sich in Wirklichkeit sehnte. Sie wollte keine Rache, sie wollte sich stark fühlen. Vielleicht wollten Männer das auch und fühlten sich stark, wenn sie Rache übten.
    Wie auch immer, das Gefühl der Stärke ließ auf sich warten. Während ihrer Aussage vor Gericht hatte sie sich kein bisschen stark gefühlt, ganz anders als man es ihr im Krisenzentrum für Vergewaltigungsopfer versprochen hatte.
    Die Anfangstakte von »For What It’s

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