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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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gemeldet, Mr Claymore?«
    »Ich …« Er brach ab. »Ich habe der Polizei erst davon erzählt, als ich im Zusammenhang mit diesem Fall verhaftet worden bin. Ich hatte vor, den Diebstahl früher zu melden, aber …«
    »Mich interessiert nicht, was Sie vorhatten, Mr Claymore, sondern nur, was Sie tatsächlich getan haben. Keine weiteren Fragen.«
    Die Richterin warf einen Blick auf die Uhr über der Tür. »In Anbetracht der Uhrzeit wird die Sitzung für die Mittagspause unterbrochen. Wir treffen uns um halb drei wieder hier.«
    »Erheben Sie sich bitte!«
    Alle standen auf, und die Richterin verschwand durch die Seitentür neben der Richterbank. Alex und Andi packten gerade ihre Unterlagen zusammen, als Claymore vom Zeugenstand zu ihnen trat. Dabei wurde er von einem Polizisten begleitet, damit er nicht auf dumme Gedanken kam. Er bedachte Andi mit einem sanften, beinahe beschämten Blick.
    »Ich möchte Ihnen beiden für alles danken, was Sie für mich getan haben.«
    Aber er sah nicht Alex Sedaka dabei an, sondern nur Andi. Sie nickte verlegen. »Ich muss los«, sagte sie nervös. »Wir sehen uns um halb drei wieder hier.«

Mittwoch, 26. August 2009 – 14.45 Uhr
    »Mr Johnson«, sagte Alex. »Sie haben die Probe also im Thermocycler in achtundzwanzig Zyklen amplifiziert?«
    »Ja«, antwortete der nervöse Achtzehnjährige im Zeugenstand. Er war mager und klein und wäre locker für zwei oder drei Jahre jünger durchgegangen.
    Alex hatte zuerst Elias Claymore in den Zeugenstand gerufen, weil es so üblich war, dass der Angeklagte als erster Zeuge der Verteidigung auftrat, falls er überhaupt aussagte. Andi hatte vollkommen recht damit gehabt, dass die Geschworenen Claymore selbst hören mussten, um ihm gegenüber mehr Mitgefühl zu entwickeln, das war Alex inzwischen klar. Sie hatte ihre Aufgabe achtbar erledigt, trotz Claymores frühem Missgeschick und Sarah Jensens gekonntem Kreuzverhör.
    Aber jetzt hatte Alex vor, sämtliche Geschütze aufzufahren und die Schwachstelle offenzulegen, die er in der Beweisführung der Anklage entdeckt zu haben glaubte.
    Er hatte die Genehmigung der Richterin erhalten, Steven Johnson als Zeugen der Gegenpartei behandeln zu dürfen. Dadurch konnte er ihm unverhohlene Suggestivfragen stellen, weshalb viele seiner Fragen eher wie Feststellungen klangen.
    »Achtundzwanzig war früher die Standardanzahl an Zyklen bei DNA-Tests, oder?«
    »Äh, ja.«
    »Aber inzwischen ist es doch Routine, vierunddreißig Zyklen durchzuführen, oder?«
    Alex stellte seine Fragen in ruhigem Tonfall. Er wollte nicht, dass der Zeuge merkte, wie viel er bereits herausgefunden hatte. Und er wollte auch nicht, dass die Geschworenen mit dem Zeugen sympathisierten und sich über die Verteidigung ärgerten.
    »Man kann natürlich vierunddreißig Zyklen durchführen«, antwortete Steven Johnson. »Aber man muss nicht.«
    »Aber in diesem Fall hatten Sie es mit einer Fingernagelprobe zu tun, die normalerweise nur eine sehr kleine Menge Täter-DNA enthält.«
    »Ja.«
    »Und dennoch haben Sie nur die Minimalanzahl an Zyklen durchgeführt.«
    Johnson dachte einen Moment nach. »Na ja, sonst besteht auch die Gefahr, dass man die DNA des Opfers zu stark amplifiziert.«
    »Aber wäre das nicht egal, wenn man eigentlich an der Täter-DNA interessiert ist?«
    »Wenn wir die Probe zu stark amplifizieren, kann man hinterher vielleicht nicht mehr zwischen Haupt- und Nebenspender unterscheiden. Und das würde es natürlich erschweren, einen deutlichen Täteranteil zu erkennen.«
    »Bei Y-Chromosomen-DNA?«, fragte Alex sarkastisch.
    Johnson errötete. »Ich wusste ja nicht, dass noch ein Y-STR-Test durchgeführt wird. Ich dachte, es ginge um einen normalen autosomalen DNA-Test.«
    »Es hat Ihnen also keiner gesagt, war für Tests gemacht werden?«
    »Nein, ich habe einfach vorausgesetzt, dass …« Er verstummte nervös. »Ich weiß, dass ich nicht einfach eigenmächtig hätte entscheiden dürfen, aber so war es nun mal.«
    »Und deshalb haben Sie die Probe nur achtundzwanzig Zyklen unterzogen?«
    »Ja.«
    »Es hat Ihnen also niemand vorher gesagt, wie viele Zyklen sie durchführen sollen?«
    »Nein.«
    »Sie haben das eigeninitiativ entschieden?«
    »Ja.«
    »Ist das normal bei Ihnen im Labor?«
    »Manchmal schon.«
    Alex hielt einen Moment inne und schien nachzudenken. In Wirklichkeit war seine Befragungsstrategie bereits sorgfältig durchgeplant. Er wusste genau, was er tat, wollte jedoch den Eindruck erwecken, dass auch

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