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Späte Schuld

Späte Schuld

Titel: Späte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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sich Notizen für sein Schlussplädoyer.
    »Aber jetzt wo wir bewiesen haben, dass die Software tatsächlich manipuliert wurde«, fuhr Andi fort, »beschließen die Geschworenen vielleicht, auf die DNA-Statistik zu vertrauen und an Ihre Schuld zu glauben.«
    Claymore blickte sie mit einer Eindringlichkeit an, die sie noch nie bei ihm gesehen hatte. »Glauben Sie , dass ich schuldig bin?«
    Verlegen wich sie seinem Blick aus. Alex machte Anstalten, ihr zu Hilfe zu kommen, hielt sich dann aber zurück. Es war offensichtlich, dass Claymore eine Antwort auf seine Frage hören wollte und keine Ausflüchte akzeptieren würde.
    »Hören Sie, Mr Claymore, Anwälte sollten sich nicht von ihren persönlichen Gefühlen leiten lassen, sondern von ihrem professionellen Know-how. Ihnen wird ein ernstes Vergehen zur Last gelegt, und es ist meine Pflicht, Alex dabei zu unterstützen, Sie bestmöglich zu verteidigen. Ich kann nicht sagen, ob Sie schuldig oder unschuldig sind. Manchmal besteht die schwierigste Prüfung eben darin, dem Feind in sich selbst die Stirn zu bieten. Es ist meine Pflicht, eventuelle Zweifel beiseitezuschieben und diesen Fall so gut ich kann vor Gericht durchzufechten.«
    »Dann lassen Sie mich Ihnen eine andere Frage stellen, Mrs Phoenix. Sie sagten, Bethel sei zu jung, um mich aus den Siebzigern oder Achtzigern zu kennen. Kennen Sie mich aus dieser Zeit?«
    Es folgte zögerndes Schweigen. »Warum fragen Sie das?«
    »Weil ich wissen möchte, wie viele Vorurteile gegen mich wohl in dieser Jury existieren, die hauptsächlich aus Dreißig- bis Vierzigjährigen besteht und im Übrigen mit Ihrer Hilfe zusammengestellt wurde.«
    »Ich war vierzehn, als Sie 1984 wegen Vergewaltigung festgenommen wurden, und kann mich erinnern, über den Fall gelesen zu haben. Aber damals habe ich mich mehr für Partys und Jungs interessiert als für meine Bürgerpflichten oder für Politik. Was die Geschworenen angeht: Falls sie nicht damals schon darüber gelesen haben, dann sicher jetzt, nachdem Anklage gegen Sie erhoben wurde.«
    »Ich bin nicht stolz auf das, was ich getan habe«, sagte Claymore angespannt. »Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass ich in die Vereinigten Staaten zurückgekommen bin, um meine Strafe abzusitzen.«
    »Das mag ja sein«, erwiderte Alex. »Aber es gibt eben auch Menschen, die finden, dass du für deine Taten lebenslänglich hättest kriegen müssen. Die Vergewaltigung von sechs Frauen ist etwas, was die amerikanische Mittelschicht nicht so leicht vergibt – auch wenn du später ein wiedergeborener Christ geworden bist.«
    »Acht«, erklang Claymores erstickte Stimme.
    Alex suchte seinen Blick und entdeckte Tränen in seinen Augenwinkeln. »Was sagst du da?«
    Claymore holte tief Luft, und während er redete, rollten ihm Tränen über die Wangen. »Ich habe insgesamt acht Frauen vergewaltigt. Aber nur sechs haben sich gemeldet und gegen mich ausgesagt.«
    Alex starrte seinen Mandanten stumm an, bevor er sagte: »Ich muss mich wohl korrigieren.«
    Claymores Tränen flossen nun in Strömen. »Ich …«, stammelte er. »Ich kann nicht erwarten, dass man mir meine Vergangenheit verzeiht. Ich weiß, dass ich vielen Menschen sehr wehgetan habe … und das Leid meiner Brüder und Schwestern ist dafür keine Entschuldigung. Aber ich habe in mehr als nur einer Hinsicht dafür bezahlt. Seit ich nach Amerika zurückgekommen bin, um meine Haftstrafe zu verbüßen, habe ich es nicht mehr geschafft, eine Frau zu berühren. Ich habe gewissermaßen lebenslang.«
    Langsam breitete sich ein Grinsen auf Alex’ Gesicht aus, während Claymore sich mit dem Handrücken die Augen wischte.
    »Wenn du das im Gerichtssaal auch so hinkriegst, kann uns nichts mehr passieren.«

Mittwoch, 26. August 2009 – 12.05 Uhr
    »Warum packen Sie nicht einfach aus und sagen uns die Wahrheit? Wir kriegen Sie doch sowieso, sobald die DNA-Ergebnisse da sind.«
    Detective Bridget Riley hatte einen anstrengenden Vormittag hinter sich. Nachdem sie im Morgengrauen aufgestanden war, war sie von Ventura zum Los Angeles International Airport gefahren, hatte eine Maschine nach San Francisco bestiegen, war vom dortigen Flughafen im Mietwagen nach Oakland gefahren und prompt im Berufsverkehr auf der Bay Bridge stecken geblieben.
    Jetzt befragte sie zusammen mit Detective Nadis von der Spezialabteilung für Gewaltopfer der Oaklander Polizei Louis Manning in seinem Krankenhausbett im Alta Bates Medical Center. Sie hätte ihn lieber auf der Wache

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