Späte Sühne - Island-Krimi
hat wahrscheinlich auch keinen Hang zur Gewalttätigkeit, genau wie die anderen Gäste?«
»Nein, davon kann wirklich keine Rede sein«, sagte Arngrímur, ohne eine Miene zu verziehen.
»Fabían, der Begleiter von Jón, ist der letzte Name auf der Gästeliste des Botschafters. Kennst du den?«
»Nein.«
Sie gingen die Treppe hoch in den ersten Stock. Die Türen zu den Büros standen offen, und man hörte Stimmen auf dem Korridor. Die Arbeit in der Botschaft schien wieder ihren normalen Gang zu gehen.
Auf der dritten Etage schloss Arngrímur sein eigenes Büro auf.
»Ihr lasst uns wissen, wenn wir euch noch weiter behilflich sein können«, sagte er. »Wir benötigen auch Anweisungen, wie mit der Leiche von Anton Eiríksson verfahren werden soll.«
»Wenn sich kein Angehöriger meldet, muss sich der Staat um irgendeine Form der Bestattung kümmern«, entgegnete Birkir. »Die Kosten lassen sich wohl durch das decken, was er hinterlassen hat.«
»Dann würde ich eine Kremation hier in Berlin vorschlagen«, erklärte Arngrímur. »Anschließend schicken wir die Urne nach Island, Beerdigung in aller Stille. Das ist das normale Prozedere im Falle eines isländischen Staatsangehörigen, der im Ausland stirbt und keine Angehörigen hat.«
Arngrímur zog ein kleines Buch aus dem Bücherregal und reichte es Birkir. »Das ist das Büchlein, das ich dir gerne schenken möchte. Sprüche und Zitate über die Arbeit von Diplomaten.«
Birkir nahm das schmale Buch entgegen. Auf der Umschlagseite stand in gotischer Schrift: Die Diplomatie , gesammelt und übersetzt von Arngrímur Ingason.
»Vielen Dank«, sagte Birkir und blätterte die ersten Seiten durch. Die Zitate waren meist kurz, und bei jedem waren die Quelle und der Name des Verfassers angegeben. Ganz am Anfang stand: Diplomatie, 1) diplomatischer Dienst an Auslandsvertretungen, 2) Feinfühligkeit, Geschick, und darunter stand kleingedruckt: »Isländisches Wörterbuch«.
Birkir las weiter:
»Es gab Zeiten, da haben Diplomaten bedeutende Verträge über Krieg und Frieden und königliche Ehen ausgehandelt. Heute geht es zumeist um Freihandelsverträge und die Größe von Schuhkartons. The Diplomat
Die erste Pflicht eines Diplomaten ist, sich durch nichts überraschen zu lassen. Heinrich von Bülow
Ein Diplomat ist imstande, dich auf eine Art und Weise zur Hölle zu wünschen, dass du dich auf die Reise freust. Caskie Stinnet
Diplomatisch ist derjenige, der nie unabsichtlich beleidigt. The Diplomat’s Dictionary «
Arngrímurs Handy klingelte, und er nahm das Gespräch entgegen. Anschließend sagte er: »Dein Kollege Gunnar ist am Eingang. Ich habe veranlasst, dass er eingelassen wird.«
»Gut. Ansonsten sind wir fertig hier. Wir müssen auch los, um rechtzeitig zum Flughafen zu kommen.«
Sie gingen hinunter ins Foyer, und Arngrímur öffnete die Außentür. Gunnar kam ihnen entgegen und grüßte mit einem Kopfnicken. In der einen Hand hielt er eine Currywurst und in der anderen ein Brötchen.
»Hast du die Elefanten gesehen?«, fragte Birkir.
»Ja.«
»Und? Wie waren sie?«
»Ich hatte sie mir größer vorgestellt«, antwortete Gunnar und biss in seine Wurst.
14:00
Am Frankfurter Flughafen nahmen Birkir und Gunnar ein Taxi, und Gunnar sagte dem Fahrer den Namen des Hotels, das die Botschaft für sie gebucht hatte. Es lag in der Nähe des Flughafens. Gunnar brachte ihr Gepäck ins Hotel, während Birkir im Auto wartete.
»Alles klar hier«, sagte Gunnar, als er wieder herauskam, und bat den Fahrer, sie zur Buchmesse zu fahren.
»Zu welchem Eingang?«, fragte der.
»Wahrscheinlich zum Haupteingang«, sagte Gunnar.
Diese Fahrt dauerte wesentlich länger, doch endlich sahen sie ein Hinweisschild zur Buchmesse. Sie fuhren an einigen Parkhäusern vorbei, und dann tauchten mehrere große Hallen auf. Die Anlage wurde überragt von einem mächtigen Turm.
»In welchem Gebäude ist die Buchmesse?«, fragte Gunnar den Fahrer.
»Die Messe ist in allen Hallen auf dem Messegelände«, antwortete der Fahrer. Er hielt in dem für Taxis vorgesehenen Bereich und deutete auf ein Tor. »Dort können Sie reingehen«, sagte er.
Birkir zahlte und ließ sich eine Quittung geben. Anschließend gingen sie zum Eingangstor und trafen auf einen der Ordner.
»Wo kann man Eintrittskarten kaufen?«, fragte Gunnar.
»Heute gibt es keine Eintrittskarten«, antwortete der Mann. »Besuchertag ist erst am Sonntag.«
Gunnar schüttelte den Kopf und sagte: »Das geht nicht. Wir
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