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Späte Sühne - Island-Krimi

Späte Sühne - Island-Krimi

Titel: Späte Sühne - Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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an Ort und Stelle gewesen wäre. Er achtet immer auf einen ordnungsgemäßen Ablauf. Wäre er dort gewesen, wäre Anton nicht umgebracht worden.«
    Nach diesem Statement leerte Konráð sein Glas in einem Zug.
    22:30
    »Geh nach Haus und bügel deine Hose«, hatte Gunnar zu Birkir gesagt, und genau das tat Birkir. Mitten im Wohnzimmer stand ein großes, stabiles Bügelbrett, zu dem er Zuflucht nahm, wenn er nachdenken musste. Zuerst bügelte er die Hose, die er angehabt hatte, und hängte sie auf. Anschließend nahm er sich neun Hemden vor, die er unter der Woche gewaschen hatte. Sie hatten darauf gewartet, dass er sich Zeit für sie nahm, und jetzt war es so weit. Er ging fachmännisch mit dem Bügeleisen um und bearbeitete jedes Hemd mit denselben Handgriffen. Erst die Ärmel, dann den Rücken. Er hatte keine Eile und genoss die Feinarbeiten mit dem Bügeleisen, die das Hemd wieder wie neu aussehen ließen.
    Über die Stereoanlage erklang Tschaikowski, Serenade für Streicher, Elégie, gespielt von einem Kammerorchester. Birkir hörte fast ausschließlich solche Musik, langsame klassische Werke, die er auf seinem Computer sammelte. Irgendeine dumpfe Erinnerung sagte ihm, dass er in ganz jungen Jahren von solcher Musik umgeben gewesen war. Trotzdem gelang es ihm nie, diese Erinnerungen zu konkretisieren, die seltenen Male, wenn er einen Versuch dazu machte. Es war auch nicht wirklich wichtig.
    Birkirs Gedanken kreisten um die Männer, die in der Mordnacht in Berlin Gäste des Botschafters gewesen waren. Alle waren sie eigenwillige Typen, und es war interessant, sie kennenzulernen. Inzwischen hatte er sich bereits ein recht gutes Bild von diesen Leuten machen können, doch er musste mehr Informationen über sie sammeln, und es hatte ganz den Anschein, als müssten auch Ereignisse aus der Vergangenheit einbezogen werden. Er war sich sicher, dass er auf diese Weise irgendwann auf den Gast stoßen würde, der in der bewussten Nacht das Büro des Botschafters als Letzter verlassen hatte.
    Er beschloss, am nächsten Tag in die Fljótshlíð zu fahren und sich den Ort anzusehen, an dem vor vielen Jahren eine junge Frau ums Leben gekommen war.

Sonntag, 18. Oktober
    01:20
    Gunnar hatte für diesen Abend genug getrunken. Der Botschafter hatte noch ein paar Runden springen lassen und sich dann zu einem Lokalwechsel entschlossen. In der Bar am Smiðjustígur war es zu laut geworden. Gunnar hingegen entschied sich dafür, nach Hause zu fahren, und ließ den Barkeeper ein Taxi bestellen. Er humpelte mit Hilfe der Krücken auf die Straße. Das Taxi kam bald, und die Fahrt zur Skúlagata dauerte nicht lange. Gunnar bezahlte und bat den Fahrer, die Tür zu öffnen und die Krücken entgegenzunehmen. Dann hievte er sich aus dem Wagen.
    »Es ist der Rücken«, erklärte Gunnar dem Fahrer. »Hexenschuss.«
    »Gute Besserung, und sei vorsichtig«, rief der Fahrer ihm zu, als er sich wieder in sein Taxi setzte.
    Gunnar stützte sich mit dem Arm auf eine Krücke und hielt die andere mit derselben Hand, während er in seiner Jackentasche nach dem Hausschlüssel suchte. Das bedurfte seiner gesamten Aufmerksamkeit, und deshalb bemerkte er die Gestalt nicht, die sich von hinten anschlich.
    Urplötzlich wurde gegen die Krücke getreten, auf die Gunnar sich stützte. Er sackte sofort zusammen, und als ihn ein weiterer Tritt heftig in die Seite traf, kippte er um.
    »Verdammte Scheiße«, brüllte Gunnar und versuchte, dem nächsten Tritt auszuweichen.
    »Jetzt bist du nicht mehr so gut drauf, was, du verfluchter Niggerlakai«, kreischte eine Stimme, die Gunnar kannte.
    »Hat man dich tatsächlich entlassen?«, sagte Gunnar, während er versuchte, sich gegen den nächsten Tritt zu schützen.
    »Ja, hast du das nicht gewusst, du schwule Sau?«
    »Schwul? Willst du dich vielleicht an mich ranmachen?«, fragte Gunnar und stöhnte unter einem Tritt auf, der ihn an der Stirn traf, sodass die Augenbraue platzte.
    »Komm mir bloß nicht mit irgendwelchen Zicken«, sagte der blonde Brandstifter, den Gunnar am Montagmorgen verhört hatte. Er versuchte, noch einmal zuzutreten, aber Gunnar wehrte mit dem Arm ab.
    »Wie hast du mich gefunden?«, fragte Gunnar.
    »Du stehst im Volksregister, du verdammter Idiot. Glaubst du, dass ich nicht mit dem Computer umgehen kann? Ich warte schon den ganzen Abend hier.«
    »Ach ja, das Volksregister, klar«, sagte Gunnar. »Hör zu, ich hab keine Lust, mich jetzt mit dir zu prügeln. Verpiss dich. Au.«
    Der Blonde

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