Späte Sühne - Island-Krimi
fragte Birkir.
»Das weiß ich nicht«, antwortete Magnús. »Vielleicht, um mehr im Hintergrund bleiben zu können. Der Familienname Esjar war sehr auffällig, und sein Vater Ólafur Ingi eine äußerst dominante Persönlichkeit, wo immer er auftrat.«
»Arngrímur hat seinen neuen Nachnamen aus dem zweiten Vornamen seines Vaters abgeleitet«, hakte Birkir nach. »Weißt du warum?«
»Nein«, antwortete Magnús ungeduldig. »Ich habe Arngrímur seit diesen Ereignissen nicht wieder getroffen. Er hat Verbrennungen und eine Rauchvergiftung davongetragen. Ich glaube, er hat lange gebraucht, um sich davon zu erholen. Er ist auch nie wieder nach Hvolsvöllur zurückgekehrt.«
17:30
Birkir wusste, dass Gunnar die Ermittlung mitverfolgte, obwohl er offiziell krankgeschrieben war. Er beschloss deshalb, einen Krankenbesuch in der Skúlagata zu machen.
María nahm ihn an der Tür in Empfang. »Birkir Li, du bist mein Favorit«, sagte sie lächelnd und ließ ihn in die Wohnung, in der es verlockend nach Essen roch.
»Du achtest bitte darauf, dass Gunnar nicht wieder nach Egilsstaðir muss«, flüsterte sie, während sie mit ihm ins Wohnzimmer ging. Gunnar saß in einem alten Ohrensessel und hatte die Beine auf einen Schemel gelegt.
»Mama kocht Lammeintopf«, sagte er strahlend und sah Birkir mit dem rechten Auge an. Das linke war völlig zwischen dicken Schwellungen und Blutergüssen versunken. »Du bleibst zum Essen, es gibt genug davon. Der Eintopf soll für die ganze Woche reichen.«
»Wie geht’s dir?«
»Prima«, sagte Gunnar. »Der Arzt glaubt aber, dass ich mich morgen schlechter fühlen werde, wegen der Prellungen an der Brust. Ich habe Mama gesagt, dass sie das Fleisch besonders lang kochen soll, mindestens zwei Stunden. In so einem Zustand sollte man nicht unnötig kauen.«
»Wie hast du geschlafen?«
»Unheimlich gut. Die ganze Station da im Krankenhaus brauchte eine Extraration Schlaftabletten, weil ich so geschnarcht habe. Die Nachtwache behauptete, dass sie noch nie in ihrem Leben so etwas gehört hätte«, erklärte Gunnar selbstzufrieden.
»Du lügst«, sagte Birkir.
»Vielleicht übertreibe ich ein bisschen, aber ich habe hervorragend geschlafen, danke der Nachfrage. Sie haben mir auch starke Schmerztabletten mitgegeben, die soll ich heute Nacht auch nehmen, wenn ich nicht schlafen kann.«
Birkir berichtete Gunnar von seinem Ausflug nach Sandgil und seinem Gespräch mit Magnús. Anschließend ließen sie sich den Lammeintopf schmecken und sahen sich CSI im Fernsehen an. Als Gunnar in seinem Sessel eingeschlafen war, ging Birkir nach Hause.
Montag, 19. Oktober
09:00
Genau in dem Augenblick, als Birkir sein Büro betrat, begann das Telefon zu klingeln.
Eine weibliche Stimme sagte: »Guten Tag, hier ist die Sekretärin der isländischen Botschaft in Berlin. Der stellvertretende Botschafter möchte dich sprechen, bitte sehr.«
Eine Weile hörte Birkir nichts, dann meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung.
»Spreche ich mit Birkir Li Hinriksson?«
»Am Apparat.«
»Hallo, hier ist Sigmundur in der Berliner Botschaft.«
»Ja, hallo.«
»Ich brauche eure Hilfe«, sagte Sigmundur. »Hast du ein paar Minuten Zeit für mich?«
»Ja, natürlich«, sagte Birkir. »Was kann ich für dich tun?«
»Unser Botschaftsrat Arngrímur Ingason ist am Freitag nach Island geflogen, und seitdem können wir ihn nicht mehr erreichen.«
»Ist das eine Angelegenheit für die Polizei?«
»Nein, oder ja, eigentlich vielleicht doch. Die Sache ist äußerst merkwürdig.«
»Merkwürdig?«
»Ja. Arngrímur wurde am Freitagmorgen aus dem Außenministerium angerufen und erhielt die Weisung, unverzüglich zu einer Unterredung mit dem Minister nach Island zu kommen. Gleich im Anschluss daran kam sein Flugticket per E-Mail.«
»Ist das nicht ganz normal, nach dem, was vorgefallen ist?«
»So gesehen ist es vielleicht normal, dass er nach Island beordert wurde, vielleicht etwas ungewöhnlich, aber nicht direkt unnormal. Irgendetwas stimmt da aber nicht. Im Zusammenhang mit einer Angelegenheit, die er bearbeitete, hätten wir am Wochenende unbedingt mit Arngrímur telefonieren müssen, aber auf seinem Handy war er nicht zu erreichen. Daraufhin habe ich unsere Sekretärin bei allen Hotels in Reykjavík anrufen lassen, er war nirgendwo registriert. Heute Morgen haben wir uns dann mit dem Ministerium in Verbindung gesetzt, um zu hören, um was es ging. Dort erfuhren wir aber, dass niemand ihn nach Island
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