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Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Voosen , Kerstin Signe Danielsson
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Grunde ganz simpel.
    14
    Nyström fragte nicht einmal, warum Forss gekommen war, ihr eigenes Erscheinen war Antwort genug. Sie fand sie in einem Sessel im Wohnzimmer sitzend, vor ihr auf dem Tisch lag ein aufgeschlagenes Fotoalbum.
    »Warum will ein Mann die Frau in seinem Leben verstecken?«
    »Die Frage ist falsch gestellt. Es muss heißen: Warum will ein Mann das Weibliche in seinem Leben verstecken?«
    »Wo ist da der Unterschied?«
    Forss reichte ihr das Album. Nyström gab sich Mühe, ihre Neugier zu verstecken, blätterte mit Ruhe und Bedachtheit, doch das Glühen ihrer Augen verriet sie.
    »Du meinst ...?«
    »Ja.«
    »Die Frau ...«
    »... war keine Frau.« Forss blätterte, dann hielt sie Nyström eine Seite hin.
    »Die Wunderbar !«, sagte sie auf Deutsch.
    »Was ist wunderbar ?«
    »Nicht wunderbar, sondern die Wunderbar . Eine der schwulsten Bars Deutschlands. Ist in Hamburg. Auf dem Foto stehen sie Schulter an Schulter davor, grinsend wie die Honigkuchenpferde. Muss lange her sein, die Aufnahme. Schau dir mal die Krawatte von dem Kerl an! Und Frosts Perücke! Und dann diese Aufnahme, das ist auch Frost. In dem Kleid, das oben im Schrank hängt. Und hier. Und hier auch. Die beiden haben das Leben eines Ehepaares gelebt. Über Jahrzehnte.«
    Nyström war für einen Augenblick sprachlos. Forss fuhr fort.
    »Das erklärt vieles. Dass nur Männer auf den Fotos inden anderen Alben sind. Dass du kaum Frauen in seinem Adressbuch gefunden hast. Dass er keine Familie hatte, keine Kinder. Die Frau, die wir gesucht haben, gibt es nicht. Frost selbst war sozusagen die Frau. Denk an die fehlenden Fingerabdrücke. Die merkwürdige Betretenheit der Nachbarn, von der Lars erzählt hat. Die müssen es gewusst haben, oder zumindest geahnt, kein Wunder nach fünfzig Jahren Nachbarschaft. Ein überraschender Besuch, ein neugieriger Blick durchs Fenster, was weiß ich ... Dann die Reaktion von Axelsson. Denk daran, was du selbst gesagt hast. ›Er ist ein weicher Mann.‹ Axelsson ist auch schwul. Er hat homoerotische Fotoposter in seinem Hobbyraum, Wilhelm von Gloeden, eine Ikone der Schwulenfotografie! Sie sind schwul, Ingrid, das ist das ganze kleine Geheimnis.«
    Nyström sagte nichts. Irgendetwas in ihr sperrte sich dagegen, Forss zu folgen, obwohl ihr Verstand längst einsah, dass sie recht haben musste. Ihr war die Situation unangenehm, sie war es nicht gewohnt, über Sexualität zu sprechen. Vor allem nicht mit einer beinahe Fremden.
    »Sie wollen, dass man sie Homosexuelle nennt«, sagte sie schließlich leise.
    Sie wusste, dass es stimmte, was Forss sagte. Frost war schwul gewesen. Mit einem Hang zum Transvestitismus. Sie musste an diesen grausamen Film denken, Das Schweigen der Lämmer . Und doch war es vollkommen anders. Sie würden keinen geheimen Keller finden, keinen Schacht, in dem ein Entführungsopfer kauerte, keine gehäuteten Frauen. So etwas gab es nur im Kino. Hier war der Transvestit das Opfer eines Gewaltverbrechens. Ein Opfer, das Schmetterlinge gezüchtet hatte, ein Opfer, das jahrelang seine Beziehung zu einem Mann versteckt hatte. Und das im liberalen Schweden.
    Sie spürte, dass es notwendig war, ihre eigene Schamgrenze zu überwinden, und ahnte, dass es solche Schamgefühle und Ängste waren, die dazu führten, dass eine Gesellschaft Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung in Verstecke trieb. In die Ecken und an die Ränder. Auf einmal fühlte sie sich sehr müde und traurig.
    »Es wirft ein neues Licht auf die Sache«, sagte Forss.
    »Es wirft ein völlig neues Licht auf die Sache. Vielleicht handelt es sich um einen Milieumord. Sagt man das so? Milieu?«
    »Komischer Ausdruck. Aber, ja, es ist eine Möglichkeit.«
    »Ich denke, unser nächster Schritt muss sein, seinen Partner zu identifizieren. Wer war dieser Mann, mit dem Frost jahrzehntelang zusammengelebt hat? Frederik Axelsson? Kann er sich so verändert haben im Alter?«
    »Daran hatte ich zuerst auch gedacht. Dann habe ich allerdings das hier gefunden.«
    Forss blätterte erneut in dem Album, schlug eine bestimmte Seite auf und hielt sie Nyström hin. Sie betrachtete das Foto eingehend. Auf dem Bild waren Frost und Axelsson zu erkennen. Beide waren ein ganzes Stück jünger, trugen Gärtnerhüte und grob karierte Hemden und stützten sich auf Spaten. Axelsson lachte in die Kamera, Frost schien sich um ein Lächeln zu bemühen.
    »Siehst du den Teich hinter dem Haus? Das ist die heute mit Schilf zugewachsene Senke. Und das sind

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