Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
schließlich auch sein Leben lang seinen Namen. Er schaute sie dabei an, als sei sie geistig zurückgeblieben. Bevor sie in ihrem neu erstandenen Wagen vom Hof des Händlers fuhr, riss sie den Duftbaum ab, der am Rückspiegel baumelte, und warf ihn aus dem Fenster.
Um vier Uhr hatte sie einen Termin bei einem Maklerbüro. Der junge Mitarbeiter sah aus wie ein Model. Er war jung, gut aussehend, hatte kurzes blondes Haar und weiße Zähne. Er lächelte einnehmend und ausdauernd, so als wolle er H&M bewerben oder Ikea oder Schweden als Austragungsort für die nächste Fußball-Weltmeisterschaft. Sie hätte sie ihm gegeben, die WM, auch wenn sie beim Anblick seiner muskulösen Schultern einen Stich verspürte. Aber diesem Gefühl konnte sie nicht nachgehen. Es würde sie an einen Ort zurückführen, der hinter ihr lag, oder liegen sollte.
Sie stiegen in einen riesigen Saab mit Ledersitzen und fuhren im Zickzackkurs durch Växjö, von einem Objekt, wie es in seiner Maklersprache hieß, zum nächsten. Olaf, wie er sich vorgestellt hatte und wie es auf dem Metallschildchen auf dem Revers seines Jacketts graviert stand, lachte über ihre Witze und summte mit, als im Autoradio Coldplay gespielt wurde. Forss wurde zum ersten Mal klar, nach welchen Prinzipien ein Escort-Service funktionierte: In der Gegenwart eines schönen Menschen fühlte man sich einfach wohler.
Die Zweizimmerwohnungen, die sie besichtigen konnte, waren in Ordnung, aber die Mieten waren deutlich höher, als sie erwartet hatte und aus Berlin-Friedrichshain gewöhnt war.
»Växjö wächst«, sagte Olaf und zuckte mit seinen breiten Schultern, ein Spruch, den sie schon auf einem Aufkleber auf den Seitentüren des Saabs gelesen hatte, augenscheinlich das Motto von Bingström Makler AB. Am Wochenende würde es weitere Wohnungen zur Besichtigung geben, sie vereinbarten, wieder miteinander zu telefonieren.
10
Am Abend klopfte es an Nyströms Bürotür. Es war Bo Örkenrud, der Leiter der Spurensicherung, und für einen kurzen Moment flammte in ihr die Hoffnung auf, dass es gute Neuigkeiten geben könnte, neue Spuren, einen Durchbruch. Dann sah sie seinen Gesichtsausdruck.
»Können wir kurz reden?«
Sie nickte. Örkenrud trat herein.
»Es ist mir ein bisschen unangenehm. Aber es geht um Lars Knutsson. Er hat Mist gebaut.«
11
Er hatte Dosen mit Essen gefunden und auf dem Gaskocher erwärmt. Mit den Bohnen und der Fischsuppe war das Leben in seinen Körper zurückgekehrt, jetzt trank er Pulverkaffee und dachte nach. Die letzten drei Tage waren so diffus wie der Nebel, der draußen zwischen den Bäumen in den Senken stand, an den Weg hinaus zu der Hütte hier konnte er sich kaum erinnern. Und davor?
Er hatte einen Plan gehabt, einen guten, einen durchdachten Plan. Ein Raubzug, um seine Beute zu sichern, um das, was ihm zustand, zu holen. Wie minutiös er vorausgeplant hatte! Das Einkreisen des Opfers, die enger werdenden Ellipsen, die er ziehen würde. Und es hatte so gut begonnen. Ja, der Alte hatte ihn erkannt, dort, wo er es am wenigsten erwartet hatte, wo alles seinen Anfang genommen hatte, ein symbolischer Ort, er hatte ihn mit Bedacht gewählt. Es war eine Freude, seine Reaktion zu sehen. Der Schock, die Angst in dem dummen, verwelkten Gesicht. Er war ins Stocken gekommen, der Alte, ins Taumeln, und wäre nicht das Publikum da gewesen, die Gaffer und Lauscher, dann wäre der Alte umgekippt wie eine gefällte Espe. Und genau das hatte er ja gewollt. Der Alte sollte stehen bleiben, zitternd wie dürres Laub im Wind, er sollte begreifen, wie ernst es ihm war. Und er hatte begriffen! Bis dahin war noch alles nach Plan verlaufen, ein Heimspiel. Das große Durcheinander war erst mit dem dunklen Dschinn hereingebrochen.
12
Als Stina Forss in ihr Hotel zurückkehrte, dämmerte es. Sie aß eine Kleinigkeit im Hotelrestaurant und ging anschließend in ihr Zimmer. In der Tiefe ihres Koffers, zwischen Strümpfen und Unterwäsche, lag ein gefalteter Zettel, auf dem sie eine Telefonnummer notiert hatte, deren Beschaffung sie die Einforderung alter Gefallen gekostet hatte. Der Mann, der das Gespräch annahm, sprach ein kantiges, schnarrendes Schwedisch, und bald hatten sie die Rahmenbedingungen geklärt. Er hatte vorgeschlagen, dass sie sich noch am selben Abend in Hässleholm auf einem Rastplatz treffen könnten, das lag südlich von Växjö auf halber Strecke Richtung Malmö, die Fahrzeit betrug Google Maps zufolge weniger als zwei Stunden.
Forss genoss die
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