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Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Voosen , Kerstin Signe Danielsson
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Frau.
    »Hast du nach seinem Verschwinden im Jahr 1949 Kontakt zu deinem Bruder gehabt?«
    Sie sah in die grauen Augen, versuchte durch die Oberfläche zu dringen. Endlich geschah etwas im Gesicht von Hildegard Hedingks. Eine Bewegung. Etwas in ihr taute auf. Die Stimme der Frau war nun anders, weicher.
    6
    Jeder Schritt war eine Qual, trotzdem zwang er sich weiterzugehen. Von Baum zu Baum, von Stein zu Stein. Er fand seinen Weg durch den Wald, wie ein Tier seinen Weg findet. Irgendwann stieß er auf einen breiteren Pfad, dann auf einen Forstweg. Schließlich folgte er zwei Kilometer einer geschotterten Straße, bis er schließlich ein Haus sah, mit einem qualmenden Kamin. Er schlich vorbei. Es dämmerte, niemand beachtete seine gedrungene, wankende Gestalt. Kurz darauf wurde die Straße besser, Asphalt schimmerte durch die Laubschicht. Sie wand sich durch nasse Tannen und Fichten, bog schließlich auf eine Bundesstraße ab. Er brauchte keine zehn Minuten mehr, dann hatte er gefunden, wonach er gesucht hatte. Eine Stunde kauerte er im Nieselregen an der Bushaltestelle, bis der Überlandbus kam und ihn in sein altes Leben zurückbrachte.
    7
    »Als Johan ging, legte sich ein Schatten auf die Familie. Ich war damals ein kleines Mädchen, neun Jahre alt. Johan war mein Ein und Alles: mein Vorbild, mein großer Bruder, mein bester Freund. Und eines Tages war er einfach weg, für immer gegangen. Ich habe es nicht verstanden, wie sollte ich auch, ich war doch noch ein kleines Kind. Ich habe auf ihn gewartet, jahrzehntelang, umsonst.«
    Sie unterbrach sich, tupfte sich umständlich mit einem Taschentuch in den Augenwinkeln. Nyström wartete.
    »Weißt du, dass ich erst spät einen Mann hatte?«
    Hedingks hatte nun die förmliche Anredeform fallen gelassen.
    »Es mag in deinen Ohren seltsam klingen, aber mein Herz war besetzt mit Schmerz und Trauer um Johan. Dort war lange kein Platz für jemand anderen.«
    Sie trocknete sich erneut die Augen.
    »Geheiratet habe ich schließlich einen Norweger. Erik Hedingks war ein Militär, ein loyaler Monarchist, aber er war ein unglücklicher Mann. Im Krieg ist er im Widerstand gegen die deutschen Besetzer gewesen, einer der Aufrechten. Er wurde bald von der Gestapo verhaftet. Die schlimme Zeit in den Gefangenenlagern hat er nie verkraftet. Im Grunde war er schon ein gebrochener Mann, als wir uns kennenlernten, und so stand unsere Ehe von Anfang an unter keinem guten Stern. Er hat sich dann erfolglos als Geschäftsmann versucht, das hat unsere Familie finanziell endgültig in den Abgrund gerissen. Am Ende hat er den Freitod gewählt, so viel Ehre hatte er im Leib. Zurückgeblieben bin ich in diesem Haus und mit mir unser kleiner Walter. Du siehst den Niedergang einer stolzen Familie. Und angefangen hat alles mit Johans Verschwinden.«
    Sie schnäuzte sich in das Taschentuch.
    Nyström sah die Frau vor ihr lange an. Von der geraden Haltung war jetzt ebenso wenig zu sehen wie von dem herrischen Schwung des Lippenstifts. Vor ihr saß eine aufgelöste, alte Frau.
    8
    Der Perückenmacher aus Alvesta nannte sich Gino, warEnde fünfzig, trug einen blauen Trainingsanzug und hatte einen eisernen Händedruck. Neben dem Stuhl im Besprechungszimmer, auf dem er Platz genommen hatte, stand eine große Sporttasche. Hultin hatte sich einen Perückenmacher glamouröser vorgestellt, aber das hätte sie natürlich niemals zugegeben. Lindholm fragte sich, warum ein Perückenmacher selbst einen militärisch anmutenden Bürstenhaarschnitt trug.
    »Ob ich Frosty kannte, den alten Fuchs? Na und ob!«
    Gino zwinkerte Lindholm zu.
    Überraschenderweise hatte seine Stimme den launigen Tonfall eines angeschickerten Onkels, der zotige Witze erzählt, obwohl noch Kinder im Raum sind.
    »Ja, ja, der gute, alte Frosty. Eine echte Granate war er damals. Das Heißeste, was das Empire zu bieten hatte. Ein echter Exportschlager, der alte Kamerad. Und ich stand damals auf reifere Kerle. Wenn er nur nicht so treu gewesen wäre, der Gute, eine echte Verschwendung, schade ist es um ihn, wirklich schade. Er war ja nicht mehr der Jüngste, aber dass es ihn so treffen musste. So ... gewaltsam. Das hat er nicht verdient! Er war doch so ein lieber Kerl. Er mochte seine Schmetterlinge, der alte Narr. Wer braucht schon ein Glashaus voller Schmetterlinge? Schmetterlinge gehören in den Bauch. Wenn ihr beiden versteht, was der alte Gino meint! Übrigens, eine heiße Brille hast du da, mein Jungchen.« Er zwinkerte Lindholm erneut

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