Spaghetti in flagranti
erwiderte ich mit einem debilen Grinsen im Gesicht, ohne daran zu denken, dass wir ohne sie ja gar nicht von hier wegkamen.
Zwei Stunden später bereute ich den in völliger Unzurechnungsfähigkeit geäußerten Satz bitter, als Otto und ich etwas mehr als die Hälfte der vierzehn Kilometer von Gabicce nach Riccione zurückgelegt hatten. Meine Highheels drückten an sieben Stellen gleichzeitig, und mir war bitterkalt in der sternenklaren Nacht. Immer wieder blieb ich stehen und rieb mir die schmerzenden Füße.
»Komm, ich nehme dich Huckepack«, sagte Otto irgendwann und ging vor mir in die Knie.
Ich wedelte abwehrend mit den Händen. » No, no , ich bin viel zu schwer.«
»Ach komm, dich Feder merke ich doch bestimmt gar nicht beim Tragen«, startete er einen neuen Versuch.
»Okay, auch wenn ich eine Stahlfeder bin. Aber sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt«, unkte ich und gab ihm einen Kuss.
Dann kuschelte ich mich eng an seinen Rücken und schlang ihm die Arme um den Hals, während er uns mit großen Schritten nach Hause brachte. Meine Füße waren ihm sehr dankbar, und ich war überglücklich.
Als wir endlich vor meiner Tür standen, war es kurz nach halb sieben. Ich schielte nach oben und sah, dass im Wohnzimmer Licht brannte. Für eine Sekunde drohte der Gedanke an meinen wartenden Vater mir den Augenblick zu verderben, dann siegte die Romantik.
» Buona notte, schöne Frau«, sagte Otto und küsste mich auf die Nasenspitze. »Schlaf gut.« Er sah mir tief in die Augen und fügte hinzu: »Und danke für den wunderschönen Abend mit einer wunderbaren Frau.«
»Gern geschehen. Du bist übrigens auch nicht so übel. Ich hab schon mal schlimmer geküsst.«
Er grinste bloß schief, während ich mir mal wieder am liebsten auf die Zunge gebissen hätte. Mein Anti-Romantik-Gen, das mich schon in so manch blöde Situation gebracht hatte, schlug mal wieder voll durch, und wie immer, wenn’s ernst wurde, flüchtete ich mich in Ironie und spitze Bemerkungen, um mir meine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. Wie bescheuert kann ein Mensch nur sein?
Egal, so war ich nun mal, und ein Mann, der damit nicht umgehen konnte, hatte mich einfach nicht verdient.
Nach einem nicht enden wollenden Kuss, der mir den Boden unter den Füßen wegzog, und einem weiteren »Schlaf gut und träum was Schönes« wandte er sich zum Gehen. Ganze fünf Minuten, nachdem er gegangen war, stand ich immer noch da, den Schlüssel in der Hand, und starrte ihm versonnen nach. Otto hatte mich tatsächlich geküsst. Freiwillig, nicht weil Silvester war und es dazugehörte. Der Kuss hatte sich so gut angefühlt, so richtig.
Oben saß wider Erwarten nicht babbo auf dem Sofa, sondern nonna , die müde blinzelte, als ich hereinkam.
»Was machst du denn hier?«, rief ich verblüfft.
»Psst, sei leise. Es ist besser, wenn sie dich nicht hören. Ich habe deinem Vater versprochen zu warten, bis du kommst, und dir gehörig den Kopf zu waschen.« Sie strubbelte mir einmal durchs Haar und zwinkerte mir zu. »Das habe ich hiermit getan.«
Ich staunte. »Seit wann verzichtet er auf das einzigartige Vergnügen, mich zur Rechenschaft zu ziehen? Geht’s ihm nicht gut?«
»Er muss schon um acht das Wettbüro aufschließen. Sein Chef ist nicht da, und am Sonntag ist doch immer Hochbetrieb. Sicher wird er gleich aufstehen, also beeil dich.«
Ich nickte nur. » Grazie , du bist die beste nonna , die man sich wünschen kann«, sagte ich dann und ging ins Bett.
Als ich mich rechtzeitig zum Mittagessen aus den Federn quälte und in die Küche kam, erwarteten mich vier neugierige Gesichter.
»Sag nichts«, meinte Paola, noch bevor ich mich auf meinen Stuhl gesetzt hatte, »diesmal habt ihr geknutscht. Das sehe ich dir auf fünf Kilometer Entfernung an.«
Ich übte mich in gespielter Gelassenheit, doch beim Blick meiner Mutter war es um mich geschehen, und ich konnte ein breites Grinsen nicht länger unterdrücken.
»Ha, gewonnen!« Laura wandte sich triumphierend ihrer Schwester zu. »Wir hätten doch um Geld wetten sollen. Dann könnte ich mir jetzt die süße Tasche kaufen, die wir neulich auf dem Markt gesehen haben.«
Daraufhin streckte Paola ihr die Zunge heraus.
»Seid ihr denn komplett übergeschnappt?«, war alles, was ich herausbrachte, und meine Stimme überschlug sich.
»Na los, erzähl schon! Wie küsst er? Und habt ihr …?«
»Paola, basta !«, meldete sich mamma vom Herd zu Wort. »Jetzt lasst eure Schwester in Frieden,
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