Spaghetti in flagranti
bewies, wie ernst ihm sein Anliegen war. »Sieh mal, Angelina bella «, redete er mir dann auch wie erwartet ins Gewissen, »ich habe grundsätzlich nichts dagegen, dass du einen Freund hast, schließlich …«
»… bin ich durchaus alt genug«, fiel ich ihm ins Wort.
»Das auch, aber … muss es denn wirklich ein tedesco sein? Noch dazu ein … Bayer?« Er sprach den Begriff aus wie ein Schimpfwort. »Es gibt so viele nette junge Männer hier bei uns in Riccione.«
Die Sache fing wider Erwarten an, mir Spaß zu machen. »Komisch«, sagte ich, »bisher war dir kein Einziger von denen recht. Hast du etwa deine Meinung geändert?«
Babbo rutschte auf meiner rosa Tagesdecke herum, bis sie Falten warf, dann erwiderte er bemüht diplomatisch: »Überleg doch mal, die kulturellen Unterschiede sind einfach enorm. Diese sturen, bornierten Alleskönner und Besserwisser, die immer recht haben müssen, haben einfach keine Ahnung, wie man richtig lebt. Oder wie man eine italienische Frau anständig behandelt. Außerdem verstehen sie von dolce vita ungefähr so viel wie wir Italiener vom Steuerrecht. Da ist der Ärger vorprogrammiert, und ich will doch bloß, dass meine bella bimba , mein schönes Mädchen, glücklich ist.« Sein treuherziger Vaterblick wirkte sogar aufrichtig.
Ich fragte mich, wo er diese klischeebehafteten Kenntnisse über die Deutschen herhatte. »Du kennst Otto doch kaum. Wir verstehen uns prima, keine Sorge. Das ist etwas ganz Besonderes zwischen uns, das spüre ich.«
Wie zur Bestätigung gab mein Handy einen Hahnenschrei von sich und kündigte eine eingehende SMS an. Da ich meine Neugier wie immer nicht zügeln konnte, griff ich nach dem Telefon und drückte auf das Symbol mit dem Briefumschlag. Tatsache, es war eine Nachricht von Otto. Ich beschloss, seiner Nummer einen eigenen Klingelton zuzuweisen, damit ich sofort wusste, dass er sich meldete.
»Auch wenn du vielleicht schon mal besser geküsst hast«, las ich, und die Schamesröte wegen meines blöden Spruchs von heute Morgen schoss mir ins Gesicht, »für mich gilt das nicht. Ich bin noch immer ganz beschwipst von dem schönen Abend gestern. Fortsetzung gewünscht? Wie wär’s heute um sechs mit einem gelato ? Ich freu mich auf dich. Bacio , Otto.«
Sofort waren alle Zweifel wie weggeblasen, und mein Herz machte einen Sprung. Genau wie ich, denn wenn ich Otto um sechs treffen wollte, blieb mir keine Stunde Zeit, um mich zurechtzumachen, und ich hatte bisher nicht mal geduscht.
»Tut mir leid, ich muss ins Bad«, sagte ich zu babbo , der ebenfalls aufgestanden war. »Mach dir keine Sorgen um mich, alles ist gut«, fügte ich noch hinzu, die Türklinke schon in der Hand. »Deine älteste Tochter ist gerade glücklich. Sehr glücklich sogar.« Damit drückte ich ihm einen dicken Kuss auf die Wange und stürmte in Richtung Badezimmer.
Ich nutzte das bisschen Zeit, das mir blieb, so effektiv wie möglich und war mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Otto schien es ähnlich zu gehen, zumindest sparte er nicht mit anerkennenden Blicken, als wir uns in der riesigen Eisdiele gegenübersaßen, die den Charme einer schlecht eingerichteten Turnhalle verströmte. Ich hätte mir für unser Date wahrlich einen romantischeren Ort vorstellen können als diesen mit Plastikpalmen und Bistrostühlen im Hawaii-Muster verunzierten Raum, aber zu dieser Jahreszeit musste man nehmen, was geöffnet war. Immerhin war kaum etwas los, und so saßen wir in der hintersten Ecke an einem Zweiertisch, wo wir uns ungestört unterhalten konnten.
Allerdings redeten wir insgesamt eher wenig, sondern konzentrierten uns darauf, uns verliebt in die Augen zu schauen, uns an den Händen zu halten und grenzdebil zu grinsen, wenn wir uns nicht küssten. Otto rührte sein Bier kaum an, und auch in meinem Amarena-Becher schmolz das Schokoeis vor sich hin. Ich nahm grundsätzlich nur Schoko, was Otto zu meiner grenzenlosen Verwunderung aus meiner Zeit in München noch wusste. Ich hatte nicht schlecht gestaunt, als die Kellnerin das Eis vorhin ungefragt vor mich hinstellte. Otto hatte einfach schon bestellt, während ich auf der Toilette gewesen war.
»Ich bin wirklich ein Pilz«, sagte Otto nach einem weiteren langen Kuss und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus meiner kunstvoll verwuschelten Hochsteckfrisur gelöst hatte.
Ich hatte mich dafür entschieden, weil die Zeit zu knapp gewesen war, um mir auch noch die widerspenstigen Locken glattzuföhnen.
»Was
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