Spaghetti in flagranti
drückte vergeblich auf den roten Knopf. Vor Wut fing ich an, darauf herumzuhämmern und hätte ihn sicher in seine Einzelteile zerlegt, wenn Otto nicht meine Hand festgehalten und zurückgezogen hätte. Als er mich in seine wohldefinierten Arme schloss, ließ ich den Kopf auf seine Schulter sinken. Ich hatte schwer zu kämpfen, um die aufsteigenden Tränen niederzuringen.
Für einige Minuten standen wir reglos da, und ich wunderte mich, dass niemand kam, um uns zu stören. Dann küsste Otto mich, und schon sah meine Welt ein winzig kleines bisschen besser aus. Mein Temperamentsausbruch von eben tat mir sogar fast leid.
Ich liebte Otto, und wir waren füreinander geschaffen, daran hatte ich keinen Zweifel, doch seine stoische Art und mein Temperament wollten manchmal einfach nicht harmonieren. Deutlicher gesagt: Mit seiner bayerischen Gemütsruhe konnte er mich so was von auf die Palme bringen.
Einerseits fand ich es toll, dass er sich von meiner echt anstrengenden Familie in keiner Weise abschrecken ließ und allen stets geduldig und aufmerksam zuhörte, egal, welchen Müll wer auch immer an ihn herantrug. Aber: Musste er sich denn wirklich immer alles von meiner übergriffigen Mutter gefallen lassen? Das Gleiche galt für die Zwillinge, die ihn bald rund um die Uhr in Beschlag nahmen, sobald er unsere Wohnung betrat.
Ich war sicher, dass er viel lieber Zeit mit mir verbrachte als mit jedem anderen Mitglied der Familie Troni, dennoch schaffte er es nicht, sich gegen sie zur Wehr zu setzen. Oder vielleicht wollte er es auch gar nicht? Nicht auszudenken, dass ich nicht an erster Stelle für ihn stand! Schnell schob ich den Gedanken wieder beiseite.
»Lass uns an den Strand gehen, auch wenn es kalt ist. Dort treibt sich bei dem Wind heute ganz bestimmt niemand herum«, schlug Otto vor und dirigierte mich sanft die Stufen hinunter.
Ich atmete tief durch, dann sagte ich: »Du weißt jetzt, warum einsame Parkplätze und Autokinos bei jungen Paaren in Italien so beliebt sind?«
»Oh ja«, meinte er, »vielleicht sollte ich mir für die letzten Tage noch einen Mietwagen nehmen. Oder wir fragen deine Tante, ob sie uns ab und zu ihren Wagen leiht. Der ist schön klein und kuschelig. Was meinst du?«
Da musste ich schon wieder lachen. Am Strand schwebte ich dann endgültig vor Glück auf Wolke sieben und hüpfte ausgelassen jubelnd durch den schweren, nassen Sand, während Otto mir seine Pläne auseinandersetzte.
Offenbar hatte er sich in den letzten Tagen nicht wenige Gedanken um unsere gemeinsame Zukunft gemacht, und ich dachte an Vales Rat, die tatsächlich recht gehabt hatte. Man musste Männern einfach nur genügend Zeit lassen und sie nicht bedrängen, dann bewegten sie sich schon. Im besten Fall sogar in die gewünschte Richtung.
Sofort nahm ich mir vor, am Abend meine Freundin anzurufen und bei der längst überfälligen Versöhnung doch den ersten Schritt zu tun. In der Hochstimmung, in der ich mich augenblicklich befand, würde mir das ganz sicher nicht schwerfallen.
Leider erreichte ich sie trotz unzähliger Versuche mal wieder nicht und musste die Aussprache wohl oder übel verschieben. Per SMS ließ sich das wohl kaum erledigen, auch wenn mir dieser Weg fast lieber gewesen wäre.
Erst mal blieb mir die Auseinandersetzung mit Vale sogar ganz erspart, denn in den nächsten Tagen war ich voll und ganz damit beschäftigt, mich auf den concorso am Donnerstag vorzubereiten, und in meiner spärlich bemessenen Freizeit unternahm ich lieber mit Otto etwas Schönes, als mit Vale Problemgespräche zu führen. Um mein schlechtes Gewissen zu entlasten, sagte ich mir, dass sie selbst auch kein großes Interesse an einer Aussöhnung haben konnte, wenn sie mich nicht zurückrief.
6.
Umso größer war das Interesse meiner Familie an Ottos Zukunft. Meine mamma hatte mal wieder ganze Arbeit geleistet und die halbe Emilia Romagna über Ottos Wunsch nach einem Praktikumsplatz informiert. Wie erwartet, meldeten sich täglich wohlmeinende Familienangehörige und Freunde des Hauses mit Tipps und Vorschlägen. Mr. Superhöflich aus Bayern fuhr natürlich seine übliche Ich-höre-jedem-zu-und-sage-erst-mal-ja-zu-allem-Strategie, die diesmal jedoch so richtig nach hinten losging.
Wir standen am Dienstagabend gerade im Zimmer der Zwillinge und diskutierten mit ihnen, weil Otto ihnen nun schon zum dritten Mal Geld geliehen hatte, das sie ihm nicht zurückzahlten. Er hatte aus seiner Sicht den Fehler begangen, es mir gegenüber
Weitere Kostenlose Bücher